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Wedeln, weil wir es wollen?

Vicky ist verwirrt, weil ihre eigene Wahrnehmung anders ist, als die Information aus einem Buch. Über ein Ende des Schwarz-Weiß-Denkens und das Recht auf Individualität.


Vicky M. schreibt uns: “Ich habe mir das Buch „Dogwatching“ von Desmond Morris gekauft. Er schreibt: „Oft hört man – sowohl von Laien als auch von Experten -, dass Hunde, die mit dem Schwanz wedeln, freundlich gestimmt seien.“ Danach erklärt er, dass das Wedeln ausschließlich (!) ein Zeichen dafür ist, dass der Hund unter einem emotionalen Konflikt leidet. Mir fiel ganz besonders das Wort „ausschließlich“ auf und ich betrachte meinen Rufus jetzt ganz anders. Er wedelt viel, hat er jetzt Probleme? Wie kann ich das einordnen?”

Liebe Vicky,

Hut ab, du scheinst dich wirklich viel mit Rufus zu beschäftigen und ich finde es großartig, wie sehr du den Fokus auf die Körpersprache deines Hundes legst. Und in der Tat bist du da auf ein Thema gestoßen, bei dem sich die Hundewissenschaftler im wahrsten Sinne des Wortes die Köpfe einschlagen. Es stimmt, dass Morris behauptet, dass Wedeln ein eindeutiges Konfliktanzeichen sei. Das Problem ist nur, dass er seine Behauptungen nicht beweist und dass es durchaus Studien dazu gibt, die etwas ganz anderes sagen. Grundsätzlich neige ich persönlich dazu, absolute Aussagen generell kritisch zu hinterfragen. „Immer“ oder „nie“, „alles“ und „ständig“: Verabsolutierende Ausdrücke sind besonders typisch für Menschen, die gerne polarisieren. Die Psychologie nennt so etwas „rigide Denkmuster“ und weiß, dass diese gerne von Pessimisten oder Menschen benutzt werden, die sich selbst sehr wichtig nehmen. Immerhin nehmen sie für sich das Recht auf die absolute Wahrheit in Anspruch, das ist das Gegenteil von wertschätzender Kommunikation. Offen gestanden verrät mir das sehr viel über dich, liebe Vicky, dass du über genau dieses Wort gestolpert bist. Bravo! Du hast einen Widerspruch in dir gefühlt und der war ganz richtig! Im Gegensatz zu dir spüren andere Menschen ebenfalls ein leises Zweifeln, wenn ein selbsternannter Guru ihnen die Welt in schwarz und weiß aufteilen möchte. Aber sie gestehen sich die Zweifel nicht ein und noch weniger schaffen sie es, ihr Unwohlsein in Worte zu kleiden. Und das sagt mir, dass du dir selbst vertraust und den Mut hast, wahrzunehmen, was wahrzunehmen ist. Etwas Besseres kann deinem Rufus nicht passieren.

Ich erlebe oft, dass viele Hundemenschen irgendwann an genau diesen Punkt kommen und Kontakt zu ihrem emotionalen Kompass finden. Es ist fast so, dass der Hund mit seinem Instinktverhalten den Menschen lehrt, wieder Kontakt zu seinem eigenen zu finden. Und das macht Menschen wahrhaftig, kritisch und unbequem. Nun aber zu deiner Frage: Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Rute ein wichtiges Kommunikationsmittel ist. Die Art, wie sie getragen wird, kann einiges über die Stimmung des Hundes verraten.

Bei Angst wird die Rute zwischen den Beinen eingezogen, bei Alarmbereitschaft trägt der Hund sie waagerecht, starr. Je mutiger er ist, desto höher trägt er die Rute. Ein entspannter Hund trägt auch die Rute entspannt und locker. Manche Rassen haben von Natur aus eine aufgebogene Rute und in der Praxis hat mir ein sehr routinierter Hundetrainer von seiner Beobachtung berichtet, dass Hunde mit aufgebogener Rute zu hyperaktivem Verhalten neigen, und ich kenne eine Hundetrainerin, die die Rute von ängstlichen Hunden gezielt anhebt, um ein körpersprachliches Signal an das Gehirn zu senden und die Hunde aus der Angsthaltung zu lösen. Was wir aber zweifelsfrei wissen ist, dass die Wedelrichtung für den Hund entscheidend ist. An der Universität Trento zeigte man 43 Hunden Videos von Hunden, die mit dem Schwanz wedelten. Wedelte der Video-Hund nach rechts, blieben die Hunde entspannt und gelassen. Unterließ der Hund jedoch das Wedeln, wurden die Hunde wachsam und ihr Puls erhöhte sich leicht. Sobald der Hund nach links wedelte, schoss der Puls auf das Doppelte hoch und die Hunde wurden extrem unruhig.

Und das zeigt uns, dass die Hunde Informationen aus der Rute brauchen, um sich entspannen zu können und dass sie die Wedelrichtung deuten können. Wenn Rufus viel wedelt, ist er vermutlich ein sehr offener Hund und teilt der Welt mit: „Hey Leute, alles tutti!“ Oder aber, er ist darauf gezüchtet worden, das glaubt Taylor Hersh. Der Forscherin fiel auf, dass Hunde zwar mit dem Schwanz wedeln, Wölfe aber kaum. Dieser Unterschied beginnt bereits im Alter von drei Wochen, ist also angeboren. Bei Silberfüchsen ist diese Entwicklung ebenfalls zu beobachten: Selektiert man die Füchse auf Zahmheit und Freundlichkeit, beginnen die Nachkommen, häufiger mit dem Schwanz zu wedeln als ihre wilden Verwandten. Hersh vermutet, dass das Schwanzwedeln von Hunden die Menschen glücklich macht, sodass sie unwillkürlich bei der Zucht auf diese Eigenschaft geachtet haben. Als Beweis führt sie die Vorliebe des Menschen für Rhythmen an. Von hämmernder Musik bis hin zum Geräusch stampfender Pferdehufe, Rhythmen lösen Glücksbotenstoffe im Gehirn aus. Da die Rute ebenfalls im Rhythmus wedelt, dürfte uns der Anblick erfreuen.

Achte doch mal darauf, liebe Vicky, ob du angesichts des wedelnden Rufus Glück verspürst. Wenn das so ist, dann könnte er tatsächlich wedeln, um dich zu erfreuen. Was du aber ebenfalls einmal austesten solltest, ist es, Leckerlis mit unterschiedlichen Händen zu geben. Da der Hund zwischen Rechts- und Linkswedlern so stark unterscheidet, habe ich meine Hunde getestet und ihnen Leckerchen mit der rechten und der linken Hand gegeben. Bei einer Hündin war der Unterschied riesig. Bewegte ich die linke Hand mit dem Leckerchen, so knipste sie die Äuglein zusammen, duckte sich, die Zunge schnellte heraus. Alles Anzeichen für einen Konflikt. Gab ich das Leckerli mit der rechten Hand, hatte sie das Problem nicht. Liebe Vicky, lass dich nicht verwirren. Hör auf dich, und nimm Rufus ganzheitlich wahr. Je besser du ihn lesen kannst, desto besser wird es zwischen euch. Und ich habe keine Zweifel daran, dass du das wunderbar meistern wirst. Viel Spaß dabei.

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