> HundeMensch & TierVerhalten

Vom eigenen Hund gebissen!

So mancher Hund bringt einen an die eigenen Grenzen. So sehr, dass man gar nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht.


Pauline T. schreibt uns: „Mein Aussie-Rüde Bluebell hat mich angegriffen und gebissen. Immer wenn ich ihn ansehe, spüre ich die Wucht seiner Zähne in meinen Händen. Er wirkte so kalt und entschlossen, ich hatte Angst. Die Wunden sind so tief, dass ich zum Arzt musste. Jetzt habe ich beide Hände fest verbunden und bin immer noch starr vor Entsetzen. Ich bin nur noch am Weinen und weiß nicht mehr, wie ich mit Bluebell umgehen kann. Ich habe mit verschiedenen Trainern gesprochen, jeder sagt was anderes und ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Liebe Grüße, Pauline”

Liebe Pauline,

ich kann dir gar nicht sagen, wie leid es mir für dich tut, dass du diese Erfahrung machen musstest. Der Angriff eines Hundes hat etwas Urwüchsiges, Archaisches, und ein Teil in uns reagiert darauf mit panischem Entsetzen. Das ist der „Neandertaler“-Teil in uns – ein Tierbiss war von jeher gefährlich, weil er lebensbedrohliche
Krankheiten übertragen konnte. Diese tief verankerte Reaktion kommt hoch, wenn wir plötzlich von einem geliebten Tier, das wir für treu und loyal halten, angegriffen werden. Dein Schock und das verlorene Vertrauen sind also vollkommen verständlich und nichts, wofür du dich schämen müsstest. Im Grunde genommen gibt es zwei Dinge, die jetzt heilen müssen. Fangen wir an. Das Erste, was heilen muss, bist du selbst. Diese Art von Trauma braucht eine Erkenntnis, um verarbeitet zu werden. Die Wahrheit ist die: Es ist nicht schlimm, dass du nun verunsichert bist – und du wirst jetzt von mir auch kein Mitleid bekommen.
Deine Reaktion ist biologisch goldrichtig und bildet die Realität ab. Sie zeigt dir, dass die Beziehung zwischen Bluebell und dir anders ist, als du dachtest. Wahrscheinlich fühltest du dich vorher mit ihm geborgen, glücklich und sicher. Diese Fassade ist nun eingestürzt, du schreibst sogar, dass du zusammengebrochen bist. Das ist gut so. Denn dein vorheriges Vertrauen war auf einem unsicheren Fundament aufgebaut.


Tatsache ist, dass du nicht sicher bist. Jetzt hast du die Chance, das Vertrauen noch einmal neu aufzubauen, aber so, dass es sicher ist. Sobald du dir das eingestehen kannst, bist du bereit, mit Bluebell nochmal neu zu starten. Und damit wären wir beim Zweiten, was jetzt „heilen“ muss: Eure Beziehung und die Grundlagen, auf denen sie ruht. Ein Hund, der zubeißt, zeigt, dass die Regeln des Zusammenlebens nicht gut sind. Halte dich jetzt nicht mit Selbstvorwürfen
ab, sondern mache es wie Bluebell: Analysiere pragmatisch, wie es besser laufen könnte. Ich fand es sehr umsichtig von dir, Bluebell vom Tierarzt durchchecken zu lassen. Oft sind medizinische Probleme eine Ursache für plötzliches aggressives Verhalten, und diese auszuschließen ist ein wichtiger erster Schritt. Bluebell ist
dein erster Hund und du bist gleich mit einem Australian Shepherd gestartet.


Das ist eine wirklich anspruchsvolle Rasse. Sie sehen wunderschön aus, flauschig und als Welpe sind sie zum Niederknien niedlich. Aber in diesem wollig-weichen
Schmusewelpen steckt ein kompromisslos agierender, logisch denkender, nüchtern handelnder Arbeitshund. Ein kleiner Workaholic, der eine klare, konsequente Führung braucht, um sicher und ruhig zu bleiben – und zwar eindeutig mehr, als es bislang nötig schien. Deine Aufgabe wird nun sein, diese Führung zu übernehmen. Das bedeutet, Grenzen zu setzen und klare Regeln aufzustellen. Das geht bei einem Aussie ganz subtil, vieles läuft über Körpersprache, weil diese
Hunde extrem gut beobachten. Es gibt Rassen, die kann man mit vorgetäuschtem Selbstvertrauen täuschen – ein Aussie gehört nicht dazu. Er sieht das kleinste Zucken deines Mundwinkels, registriert den Zustand deiner Körperspannung und fällt dann sein Urteil.

Vielleicht fühlst du dich jetzt eher verunsichert, und das ist okay. Hör darauf, selbst erfahrene Hundehalter können mit einem Aussie an ihre Grenzen kommen. Hol dir also Unterstützung, aber bei einem Hundetrainer, der sich mit Australian Shepherds auskennt. Das ist ein Muss! Es muss jemand sein, der sagt: „Das ist mein täglich Brot“ und niemand, der sagt „Das traue ich mir schon zu“. Prüfe Referenzen, frage vielleicht bei deinem Züchter nach, ob er jemanden empfehlen kann
oder beim Rasseclub. Fahre dafür notfalls eine längere Zeit und arbeite nicht mit irgendeinem Hundetrainer, der diese Rasse nicht kennt. Ich kann nur davor warnen. Man kann mit einem Aussie sehr schnell sehr viel falsch machen. Diese Hunde sind sehr willensstark, extrem reaktionsschnell und müssen lernen, in
die Ruhe zu kommen. Ansonsten drehen sie zu hoch und finden von alleine nicht mehr in die Entspannung. Das Tragen eines Maulkorbs kann zu Beginn des Trainings nötig sein. Hinzu kommt, dass Bluebell mit 1 ½ Jahren auch gerade mitten in der Pubertät ist. Er wird erwachsen und testet aus, wie weit er gehen
kann. Ich kann dir auf Distanz leider nur den ehrlichen Rat geben, dir fachkundige Hilfe zu suchen.


Lass dir sagen: Du bist nicht allein mit dieser Erfahrung, und es ist vollkommen in Ordnung, sich Unterstützung zu holen. Es gibt viele Menschen, die dich und deinen Weg verstehen und dir helfen können, diese schwierige Situation zu meistern. Alles Gute für dich und Bluebell!

Die Hundewelt – Deutschlands großes Hundemagazin.

Du willst das Beste für dich und deinen Hund? Nichts leichter als das. In der HundeWelt wirst du jeden Monat mit allem versorgt, was dich deinem Hund garantiert näher bringt. 

Erhältlich im MinervaStore.

Teilen
×