Mein Hund jagt! | Was tun?
Zunächst einmal: ”Herzlichen Glückwunsch!“, denn Sie haben einen völlig normalen und richtigen Hund. Hunde machen so etwas, ob es uns passt oder nicht. Unsere vierbeinigen Freunde sind immer noch grundsätzlich Beutegreifer.
Das Jagen an sich stellt also keinen Ungehorsam dar, sondern ist schlicht gentechnisch verankert und im Grunde überlebenswichtig. Wenn unser Freund einem entsprechendem Reiz ausgeliefert ist, also wenn sich irgendetwas von ihm wegbewegt, wird ein Mechanismus in Gang gesetzt, der mit dem neudeutschen Begriff „Jagdmotivation“ nicht richtig beschrieben ist − Jagdtrieb trifft es wohl eher.
Richtig problematisch
wird es natürlich, wenn unser Hund nicht nur gern Kaninchen, sondern auch Autos und Fahrradfahrer vor sich hertreiben und fangen möchte. Es werden vielerorts Antijagdtrainings angeboten. Tatsächlich stellen die meisten sicher eine tolle Beschäftigung und einen netten Zeitvertreib dar und es schadet nie, wenn man sich mit seinem Tier beschäftigt. Ein wirklicher Erfolg wird jedoch eher selten eintreten, denn das Jagen stellt für den einen oder anderen Vierbeiner ein Grundbedürfnis dar.
Hinzu kommt, das unser Kamerad recht schnell versteht, ob er durch eine Schleppleine an der Jagdausübung gehindert wird oder nicht. Zudem dürfte ihn das „Leckerchen“ zur Belohnung nicht so wahnsinnig interessieren. Natürlich stellt sich erst einmal die Frage,
welchen Hund habe ich überhaupt:
wenn es sich um grundsätzlich um einen Jagdhund wie den Deutsch Drahthaar oder einen Stöberhund wie den Cocker Spaniel handelt, muss ich mich nicht wundern, sondern diese Eigenart sollte mir schon bei der Entscheidung für den Hund bewusst gewesen sein. Mischlinge mit Beteiligung der Jagdhundrassen neigen auch gelegentlich eher dazu, sich selbst zu versorgen, natürlich sind aber auch viele andere Rassen nicht total degeneriert und machen ebenfalls gern mit.
Nur gibt es die ein oder anderen Trainer, die in einem solchen Fall empfehlen: ”Bloß nicht mit ihm spielen, Bällchen werfen etc., um diese Unart nicht zu verstärken.“ Das ist, zumindest in meinen Augen suboptimal, wenn nicht sogar tierschutzrelevant.
Der Trieb ist da und lässt sich nicht unterdrücken
Er wird sich Bahn brechen, und darüber hinaus verliere ich eine wichtige bindungsfördernde Beschäftigungsmöglichkeit mit meinem Hund. Sinnvoller wäre es, diesen angeborenen Trieb für sich auszunutzen. Ich habe in diesen Fällen immer ein Bringsel (Beissrolle, Ball oder ähnliches) auf den Spaziergängen dabei. Ich versuche zu Anfang Wildkontakt zu vermeiden, gehe also nur dort spazieren, wo nichts Flüchtendes zu erwarten ist oder trainiere auf eingezäuntem Gelände mit dem frei laufenden Hund.
Bei jeden Hörzeichen “Hier” zeige ich das Bringsel. Kommt der Hund, versuche ich es durch Körperdrehung zunächst zu entziehen, um ihn dann einbeißen zu lassen. Ideal sind Spielzeuge mit einer Schnur oder einem Haltegriff, damit ich nach dem Anbiss in ein Zerrspiel übergehen kann. So bekomme ich den Hund zu mir und gleichzeitig erreicht der Kamerad sein Triebziel, nämlich Jagen und Beute machen. Damit das ganze Spaß macht und nicht hernach, also wenn es an das Ablassen geht, in unangenehme Unterordnungsbereiche abrutscht, führe ich ein zweites Bringsel mit. Mit diesem beginne ich dann im „Beutetausch“ zu arbeiten. Das heißt, der Hund lässt vom ersten ab (gern auch mit Hörzeichen) und bekommt im Tausch das zweite. So lässt sich auch das „Aus“ generell üben.
Natürlich führt diese Herangehensweise nicht sofort zum Erfolg …
Ein paar Monate ständiger Wiederholung mit entsprechendem Erfolg des Hundes sind schon einzukalkulieren. Auch wird der Hund sicher – springt ein Häschen direkt vor ihm auf – zunächst wieder in das Jagen zurückfallen, kein Zweifel. Jedoch kann ich ihn erfahrungsgemäß durchaus abrufen, hat sich der Abstand zwischen Hund und Hase ein wenig vergrößert. Einfach ausprobieren, ein Fehler kann es nicht sein.
Martin Weitkamp hat in seinem Leben schon unzählige Hunde ausgebildet: und zwar zu Minensuchhunden, Sprengstoffspürhunden und Schutzhunden. Sowohl bei der Polizei als auch bei der Bundeswehr konnte er eine Vielzahl von Diensthundprüfungen erfolgreich ablegen. Exklusiv in der HundeWelt und hier lässt er uns an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Er ist ebenfalls Autor des Buchs “Im Schatten der Gefahr“.
Titelbild: AdobeStock Alexandr