Im Gespräch mit Günther Bloch
Günther Bloch, geboren 1953, begann seinen beruflichen Werdegang im Jahre 1975 als erster „Dog Walker“ von Köln. Fünf Jahre später eröffnete er die Pforten seiner Hunde-Farm „Eifel“, der ersten Hundepension mit Hundegruppenhaltung. Zwischen 1992 und 2016 führte Günther Bloch im Rahmen seiner Hunde-Farm-Abteilung Verhaltensforschung langzeitliche Beobachtungsstudien an wilden Wolfs- und Hunderudeln durch. Außerdem arbeitete er in seiner eigenen Hundeschule 1980 bis 2003 als Hundeerzieher und Verhaltensberater. Das Interview führte Christoph Jung.
Herr Bloch, wenn man Ihnen glauben darf, geht die Haltung und Lebensführung und Haushunden eigentlich ziemlich einfach. Der Trend geht aber in Richtung hoch komplexer Therapiebemühungen!?
Günther Bloch: Ich weiß. Alles ist furchtbar kompliziert. Hundeverhalten ist ja soo komplex und die Hundeseele ist ja soo zerbrechlich. Nichts geht mehr ohne teure Therapie. Komisch, dass wir es über die letzten Jahrzehnte hinweg prima hinbekommen haben, aus unseren Hunden anständige Lebenspartner zu machen. Ohne Gewalt und ohne viel Tralala.
Es geht. Mit gesundem Menschenverstand, mit Respekt vor der Gattung Hund und unter Berücksichtigung der inneren Stimme. Vorausgesetzt, die ist noch vorhanden und man ist noch in der Lage, notorierte Besserwisser und Alleskönner links liegen zu lassen.
Herr Bloch, sie waren 40 Jahren lang eine der führenden Figuren der deutschen Hundeszene. Sie haben nicht ihr Fähnchen nach dem Wind gedreht. Wie ich ihre Meinung zu Dominanz, Verstärkung oder Einschränkung kenne, war das sehr gut für unsere Hunde. Hätten Sie da noch etwas, was sie loswerden wollten?
Günther Bloch: Aber sicher doch. Lasst Hunde endlich wieder Hunde sein. Führt sie anständig durchs Leben und gut ist. Therapeutische Überheblichkeit ist total uncool.
Ob ich eine der führenden Figuren war, das sollen Andere beurteilen. Das steht mir nicht zu. Ich fand es immer superinteressant, mir Hundeartige wie Wolf, Kojote, Fuchs oder Hund etwas genau anzuschauen. Vor allem im Freiland, da wo die Tiere das machen, was sie machen wollen und müssen. Deswegen habe ich auf eigene Kosten das Verhalten von frei lebenden Wölfen dokumentiert (u.a. „Bow Valley Wolf Behaviour Study“). Anschließend habe ich, um Parallelen und Unterschiede von Wolf und Hund besser verstehen zu lernen, u.a. das „Tuscany Dog Project“ ins Leben gerufen.
Letzten Endes haben mir die Verhaltensgepflogenheiten von etlichen Menschen und ihren Hunden gezeigt, wie was realistisch einzuordnen ist. Von menschlich-formaler Dominanz bis zu hundlicher Gefolgschaft. Live statt in der Theorie.
Fazit: Das „Schreckgespenst Dominanz“ ist in Wirklichkeit nur ein Popanz. Zu Unrecht aufgeblasen von denjenigen, die Schwierigkeiten damit haben, ihr eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen. Somit das Gegenteil von „Rudelführer“. Arme Hunde.
Oftmals hört man den Vorwurf, Dominanzbefürworter hätten „die moderne Lerntheorie nicht verstanden”.
Günther Bloch: Das stimmt. Vor allem von Theoretikern. Ob alte Lerntheorie oder moderne Lerntheorie – jedes Tier, einschließlich dem Säugetier Mensch, muss sein Verhalten den Gegebenheiten anpassen.
Meine Gegenthese lautet daher: Doch, ich habe sie verstanden, die Lerntheorie. Daher weiß ich auch genau, dass unkontrollierbare Umwelteinflüsse jederzeit auf hundliches Verhalten durchschlagen können. So sieht reales Leben aus. Die schönste Hundeerziehungstheorie nutzt also überhaupt nichts, wenn sie im echten Leben von der Umwelt torpediert wird.
In der Mensch-Hund-Beziehung muss es praktikabel zugehen. Unser aller Bemühen muss dominiert sein von dem Vorsatz, dass es den Hunden um uns herum gut geht. Wann immer machbar.
Eins ist klar: Ob alt oder modern – Hunde müssen nun einmal in eine menschliche Gesellschaft integriert werden. Sie müssen öffentlichkeitstauglich sein. Das hat Vorrang. Darüber können wir jetzt endlos jammern und jammern. Oder aber die Ärmel hochkrempeln, aktiv werden und Verantwortung für unsere Hunde übernehmen.
Sie sprechen von einem “Haifischbecken”. Kann ich bestätigen. Zu meinem Engagement gegen Qualzucht kommen aus der Hundeszene mehr Anfeindungen als Zuspruch. Nicht selten Kommentare, die jeden Respekt vermissen lassen. Dann sagen alle, es gehe ihnen nur um den Hund. Können Sie das verstehen?
Günther Bloch: Nö, das kann ich nicht verstehen. Das will ich auch nicht verstehen. Wer trotz massiver gesundheitlicher Schwierigkeiten kaufmännisch-dominant Hunde vermehren will, der muss und soll Kritik ertragen. Wem es wirklich um den Hund geht, der sollte ihm vermeidbare Qualen ersparen. Sollen Hunde wegen irgendwelcher Modeerscheinungen leiden müssen?
Gleiches gilt für so manchen Marktschreier der Hundeszene. Menschen, die anderer Meinung sind als man selbst, „haben keine Ahnung von Hunden“? Was soll eine solch nervtötende Arroganz?
Schade, dass es in Kreisen der „ultimativen Hundeahnungshaber“ leider in Sachen Positivverstärkung gegenüber Mitmenschen so mau aussieht. Aber wer selbst kurz davorsteht, zum Ethik- und Moralminister Deutschlands berufen zu werden, dem fällt es halt schwer, gegenüber dem gemeinen Hundemenschen respektvoll zu sein.
Sarkasmus beiseite: Ich habe in meiner aktiven Zeit mit etlichen Kollegen und Kolleginnen zusammengearbeitet. Dann haben wir immer versucht, Kompromisse zu finden und Hundemenschen zu helfen. Mit Riesenerfolg. Diese Vorgehensweise kann ich daher nur empfehlen.
Ist das nicht ein wenig zu spöttisch?
Günther Bloch: Das finde ich nicht. Im Gegenteil. Ich für meinen Teil habe mich ja nun ernsthaft bemüht, in meinem Leben möglichst viele Verhaltensbeobachtungen zu analysieren. Mit Disziplin ordentliche Forschungsarbeit gemacht. Jahrelang verdammt viel gelernt. Auch aus meinen Fehlinterpretationen. Wer jedoch meint, meine kostspieligen Freilanduntersuchungen zum besseren Verständnis des Haushundes samt und sonders pauschal mit einem dreist-dummen Spruch niedermachen zu können, erntet halt Ironie.
Ob das nun wiederum „souverän“ ist oder nicht, ist mir egal. Wer austeilt, muss auch einstecken können.
Es gibt haufenweise Autoren, die Hundebücher schreiben; aber nur wenige zeichnen sich durch fundiertes Wissen. Hundewissenschaftler sind in Deutschland sehr rar. Sie sind einer der wenigen. Besonders wichtig finde ich ihre Freilandbeobachtungen. Sie haben, ich glaube weltweit als einer der ersten, die Kooperation von Raben und Wölfen beschrieben. Worum geht es da?
Günther Bloch: Das kann ich nicht beurteilen. Es gibt abertausende Bücher. Mit dem fundierten Wissen scheint das so eine Sache zu sein. Eigentlich wäre es doch die Aufgabe von gut recherchierenden Buchverlägen, ob ein zukünftiger Fachbuchautor tatsächlich seriöses Wissen nachweisen kann. Wenn haufenweise Autoren frei von jeder Sachkenntnis „Fachbücher“ veröffentlichen dürften, so fände ich das extrem grenzwertig.
Sicherlich ist in jedem Buch Subjektives und Objektives zu lesen. Was mich viel mehr nervt, ist die ständige Abschreiberei. Übrigens auch von Menschen mit Titeln. Nicht jeder ist fleißig. Untersuchungsergebnisse von hart arbeitenden Kollegen und Kolleginnen abzukupfern ist einfach.
Letztlich las ich als Werbeslogan für einen Fachbuchautor: „Wir stehen regelmäßig mit Wissenschaftlern in Kontakt“. Na dann. Wow. Anscheinend muss nun schon der Kontakt zu kundigen Menschen als Markenzeichen für eigenes Fachwissen herhalten. Maximale Profitorientierung allerorten.
Wo bleibt die Eigenleistung? Wo bleiben Projekteigenfinanzierung und unternehmerisches Risiko?
Unsere Buchempfehlung:
Günther Bloch: “Mein Hundewissen – Wie ich zum Hundemensch wurde und was Sie daraus lernen können”
ISBN: 978-3-8338-6252-6
Könnte man sich eine Art Dreierbund von Wolf-Rabe-Mensch als Start der Hundwerdung vorstellen?
Günther Bloch: Ich finde schon. Wenn ich bedenke, wie oft wir in unseren Freilandstudien Wölfe und Raben zusammen herumlungern sehen haben. Und wenn ich zudem noch daran denke, dass ich die Rendezvousplätze von wilden Wolfsfamilien zuallererst fast immer über den Umweg Rabe gefunden habe. Hier in Kanada gilt der Rabe bei der Urbevölkerung ohnehin als Mittler zwischen „Mutter Erde“ und „Vater Himmel“. Somit ist doch alles klar. Vielleicht bin ich aber auch nur der falsche Ansprechpartner. Mich fasziniert und überzeugt der ganze „Indianerkram“ ungemein. Ich hab´s halt mit den Tieren. Schon von klein an.
Andererseits darf ich stolz sagen, jede Menge datengestützte Beweise vorlegen zu können, wie eng die Beziehung Wolf und Rabe ist. In unserem Buch „Die Pipestone Wölfe“ beschreibe ich präzise protokollierte Begegnungen zwischen ganz bestimmten Wolfs- und Rabenindividuen. Mein Freund John hat dazu wunderbare Fotos gemacht.
Was halten Sie davon, Wölfe für Verhaltensstudien herzunehmen, die bereits über Generationen in Gehegen gehalten werden?
Günther Bloch: Gehegestudien sind wichtig, Freilandstudien sind wichtig. Es kommt darauf an, was ich untersuchen will. Die Dokumentation von Gruppenformationen in wahrer Umwelt oder womöglich das Ausleben von Jagdstrategien auf unterschiedliche Beutetiere wird in eingezäunten Arealen naturgemäß etwas schwierig. Gleichsetzen kann man nichts. Nur vergleichen.
Auf den Haushund bezogen gibt es ein Dilemma. Der verbringt einerseits viel Zeit zu Hause (Gehege), im gesicherten Territorium mit Rundumversorgung. Draußen aber, sozusagen als Freigänger, sieht die Sache anders aus. Wesentlich wölfischer. Zumindest was Dinge wie Umweltprägung, hundliches „Landkarten-Mapping“ oder das Verfolgen und Hetzen von Beute angeht. Alles ist relativ. Über solche Sachen muss diskutiert und miteinander geredet werden. Nicht gegeneinander.
Interessierte Hundemenschen brauchen weniger Schlaumeier, weniger Allerweltssprüche und weniger „Waldorf-Ponyhof-Theater“. Stattdessen brauchen sie mehr intensive Unterhaltungen mit echten „Kanidenfreaks“.
In ihrem neuen Buch plädieren sie dafür, dass es für Hundeberufe verbindliche Regeln wie jeden normalen Ausbildungsberuf geben sollte. Wie stellen Sie sich das vor?
Günther Bloch: Ich votiere bekanntlich seit Jahren für einen dreijährigen Lehrberuf. Aber das wird noch endlos dauern. Bei dem Gezanke um Zuständigkeiten und und…
Mittlerweile halte ich mich da raus. Ich lebe in „Freaky Town“ Kimberley, in Canada. Dort debattiert man zuvorderst, was geht. Das kommt meinem pragmatischen Naturell sehr entgegen. In Deutschland läuft alles genau umgekehrt. Erst wird alles bis zur Unkenntlichkeit zerredet. Dann wird ein Schuldiger gesucht. Zum Schluss wiederholt man gebetsmühlenartig sämtliche Bedenken, was alles sein könnte…
International, selbstverständlich auch in Nordamerika, gilt der Begriff „German Angst“ schon als allgemeingültiges „Gütesiegel“.
Sehr geehrter Herr Bloch, vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: Günther Bloch/Debra Bardowicks
Günther Bloch, geboren 1953, begann seinen beruflichen Werdegang im Jahre 1975 als erster „Dog Walker“ von Köln. Fünf Jahre später eröffnete er die Pforten seiner Hunde-Farm „Eifel“, der ersten Hundepension mit Hundegruppenhaltung. Zwischen 1992 und 2016 führte Günther Bloch im Rahmen seiner Hunde-Farm-Abteilung Verhaltensforschung langzeitliche Beobachtungsstudien an wilden Wolfs- und Hunderudeln durch. Außerdem arbeitete er in seiner eigenen Hundeschule 1980 bis 2003 als Hundeerzieher und Verhaltensberater.
Dieses Interview stammt aus der HundeWelt.