Alternativmedizin für Haustiere: Was hilft wirklich? Der ehrliche Check

Akupunktur für den Dackel, Homöopathie für die Katze, Bachblüten gegen Trennungsangst. Alternativmedizin für Haustiere boomt. Aber was ist dran an…

Akupunktur für den Dackel, Homöopathie für die Katze, Bachblüten gegen Trennungsangst. Alternativmedizin für Haustiere boomt. Aber was ist dran an den sanften Heilmethoden? Wir schauen uns an, was die Wissenschaft sagt, wo echte Chancen liegen und wann du lieber die Finger davon lassen solltest.

Warum der Boom? Alternativmedizin als aktueller Trend

Wir machen uns große Sorgen, wenn unser Haustier krank ist. Daher möchten wir neben der Schulmedizin alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dem kleinen Patienten zu helfen. Die Naturheilkunde ist in der Tiermedizin ein komplexes Thema.

Der Markt wächst kontinuierlich: Viele Tierhalter investieren zunehmend in alternative Heilmethoden für ihre Vierbeiner.

Viele Tierhalter haben mit der Naturheilpraxis sehr gute Erfahrungen gemacht. In den Regalen der Heimtiergeschäfte werden die Reihen mit alternativen Arzneien immer länger.

Aber: Gute Erfahrungen sind nicht automatisch wissenschaftliche Beweise. Schauen wir uns an, was wirklich dahintersteckt.

Die gängigsten Methoden im Check

Homöopathie: Der Klassiker

Die Homöopathie ist die bekannteste und am häufigsten angewandte Therapie in der Naturheilkunde. Der ganzheitliche Ansatz steht hier an erster Stelle.

Das Prinzip: Nach dem Grundsatz „Ähnliches mit Ähnlichem heilen“ werden diverse potenzierte Mittel verabreicht, die einen ähnlichen Reiz auslösen wie die Erkrankung selbst.

Was die Wissenschaft sagt: Eine systematische Literaturübersicht zu 24 verschiedenen alternativmedizinischen Verfahren bei Katzen, Hunden und Pferden kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Für 15 der Behandlungsformen wurde überhaupt keine Evidenz gefunden. Die Schlussfolgerung: Die wissenschaftliche Evidenz ist zu ungenügend, um die klinische Wirksamkeit der 24 Therapien zu benennen.

Wann könnte es trotzdem helfen? Bei Hautschmerzen und Durchfall ergaben sich in einem Review aus dem Jahr 2006 ermutigende Hinweise. Bei leichten, selbstlimitierenden Erkrankungen (die von selbst besser werden). Als Ergänzung zur Schulmedizin, nie als Ersatz.

Wichtig: Jeder Hundehalter muss individuell entscheiden, ob ein homöopathischer Ansatz der richtige ist. Bei schweren Erkrankungen ist der Hund zu schwach, um sich selbst zu heilen. Es ist daher immer ratsam, einen Tierarzt aufzusuchen.

Akupunktur: Mehr als nur Nadeln

Die Akupunktur ist Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin. Diese geht davon aus, dass in Meridianen, die auf der Haut verlaufen, die Lebensenergie kreist.

Wo wird es eingesetzt? Bei chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparats wird beispielsweise häufig Akupunktur eingesetzt. Dabei gilt es für den behandelnden Tierarzt, die für das Tier wichtigen Akupunkturpunkte zu finden.

Was bringt es wirklich? Ein systematisches Review zur manuellen Therapie bei Pferden ergab: Für die meisten Ansätze ist die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt.

Wann könnte es helfen? Bei chronischen Schmerzen, Arthrose, Lahmheiten oder als Teil eines multimodalen Schmerzmanagements.

Die Kosten hängen von der Methode und den Beschwerden ab. Eine Krankenversicherung für Katzen trägt in der Regel die Kosten, wenn die alternativen Behandlungsmaßnahmen von einem niedergelassenen Tierarzt durchgeführt werden.

Phytotherapie: Pflanzenheilkunde

Mittels Phytotherapie, also Pflanzenheilkunde, können Hautkrankheiten und chronische Pathologien bei Tieren therapiert und vorgebeugt werden. Rezepturen für kranke Tiere können individuell aus Pflanzenteilen, Kräutern und Heilpilzen hergestellt werden.

Das Potenzial: Diese Therapieform kann auch die traditionelle Medizin ergänzen.

Wichtig: Wende dich dazu am besten an einen Spezialisten. Nicht jede Pflanze, die für Menschen gut ist, ist auch für Tiere verträglich.

Besondere Vorsicht bei Katzen: Da es einige für Katzen unverträgliche ätherische Öle wie Teebaumöl gibt, sollte man sich von einem Therapeuten beraten lassen.

Physiotherapie und Hydrotherapie: Die Evidenz-Gewinner

Bei der Hydrotherapie erfolgt die Physiotherapie der Hunde im Wasser, entweder auf einem Unterwasserlaufband oder durch Schwimmen in einem Wasserbecken.

Die Vorteile: gelenkschonende Auftriebskraft des Wassers, Temperatureffekte, Massagewirkung. Empfindliche Gelenke werden nur wenig belastet.

Insbesondere eignet sich diese Form der Therapie für alte Hunde mit Gelenkproblemen, Übergewicht oder vor beziehungsweise nach chirurgischen Eingriffen.

Hier gibt es echte Belege: Im Gegensatz zu vielen anderen alternativen Verfahren gibt es für Physiotherapie tatsächlich wissenschaftliche Unterstützung.

Osteopathie: Blockaden lösen

Die Osteopathie kann, wie in der Humanmedizin, sowohl als Vorsorgemaßnahme als auch zur Behandlung orthopädischer Probleme oder bei Arthrose eingesetzt werden.

Sie dient beispielsweise dazu, Blockaden und Lahmheiten im Bereich der Wirbelsäule, der Gelenke, in den Faszien (also dem Bindegewebe) und der Organe zu lösen. Eine Behandlung dauert meist zwischen 30 und 60 Minuten, je nachdem wie der Patient mitarbeitet und sich entspannt.

Bachblütentherapie: Für die Psyche?

Wer das Gefühl hat, sein Haustier sei emotional und psychisch schlecht gelaunt, findet bei der Bachblütentherapie Mittel gegen Angstzustände, Eifersucht oder Konzentrationsschwierigkeiten.

Die Wahrheit: Wissenschaftliche Belege fehlen. Was hier wirkt, ist vermutlich der Placebo-Effekt, besser gesagt: die erhöhte Aufmerksamkeit des Halters für sein Tier.

Nahrungsergänzungsmittel: Eine Grauzone

Der Verkauf von spezifisch dem Bedürfnis des Tieres angepassten Nahrungsergänzungsmitteln steigt massiv.

Die Kosten: Spezielle Hunde-Futterergänzungsmittel für starke Knochen, gesunde Zähne und frischen Atem oder mehr Gelassenheit können durchaus teuer werden.

Was hilft wirklich? Eine Übersicht zu Nahrungsergänzungsmitteln für Hunde bei Osteoarthritis untersuchte Chondroitinsulfat, Glucosamin, ungesättigtes Typ-II-Kollagen, unverseifbare Avocado-Sojabohnen, Curcumin und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.

Das Ergebnis: Zu bedenken ist, dass die sogenannte Bioverfügbarkeit von Stoffen wie Curcumin gering ist und dass belastbare klinische Studien nach wie vor Mangelware sind. Wir meinen dennoch, dass Nahrungsergänzungsmittel bei der Arthritisbehandlung von Hunden in Betracht gezogen werden können.

Wann macht Alternativmedizin Sinn?

Naturheilverfahren aktivieren in der Regel nebenwirkungsfrei die Selbstheilungskräfte des Körpers und sind eine Alternative beziehungsweise Ergänzung zur Schulmedizin.

Sinnvoll ist Alternativmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin, nie als Ersatz bei schweren Erkrankungen. Bei chronischen Problemen, wo die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt. Zur Vorsorge, bevor Probleme entstehen. Bei leichten Symptomen als erster Therapieansatz. Zur Reduzierung von Medikamentendosen in Absprache mit dem Tierarzt.

In Absprache mit einem Tierarzt können diese Alternativen schulmedizinische Behandlungen begleiten, bei Krankheiten mit leichteren Symptomen als erster Therapieansatz Anwendung finden oder die Einnahmedosis von Medikamenten mindern oder unter bestimmten Umständen sogar ersetzen.

Die Kostenfrage: Was zahlt die Versicherung?

Manche Versicherer übernehmen auch Tierarztkosten für homöopathische Behandlungen oder bieten Zuschüsse an. Einige erstatten Behandlungen der Alternativmedizin zum Erstattungssatz von mindestens 85 Prozent und zum Jahreshöchstlimit.

Achtung: Hier wird es gefährlich

Rote Flaggen bei Therapeuten

Finger weg, wenn versprochen wird, Krebs heilen zu können, die Schulmedizin grundsätzlich abgelehnt wird, Impfungen ausgeredet werden, keine tierärztliche Ausbildung vorliegt oder Diagnosen ohne Untersuchung gestellt werden.

Der Heilpraktiker beziehungsweise Tierheilpraktiker ist die erste Anlaufstelle für den Tierhalter. Inzwischen haben sich jedoch auch Tierärzte während oder nach ihrem Studium mit alternativen Heilverfahren beschäftigt.

Wenn es brenzlig wird

Im Fokus der Behandlungsmethoden der Alternativmedizin steht in der Regel ein holistischer, also ganzheitlicher Ansatz. Experten und Tierhalter versprechen sich eine verbesserte Heilungsförderung und entzündungshemmende Wirkung dieser Heilverfahren, da hier die Ursachen und nicht die daraus resultierenden Symptome behandelt werden sollen.

Aber: Auch Hunde können an Erkrankungen wie Arthrose (Gelenk- und Knochenbeschwerden), Allergien oder Hautkrankheiten leiden. Um die Gesundheit des Vierbeiners nachhaltig zu unterstützen, kommen auch alternativmedizinische Methoden wie Physiotherapie, Hydrotherapie, Osteopathie, Homöopathie oder Akupunktur bei der tierärztlichen Therapie zum Einsatz.

Niemals alternativmedizinisch behandeln bei akuten Notfällen, schweren Infektionen, Knochenbrüchen, inneren Verletzungen, Verdacht auf Vergiftung oder plötzlichen, starken Schmerzen. Hier zählt jede Minute, und die gehört dem Tierarzt, nicht dem Globuli.

Der goldene Mittelweg

In der Tiermedizin wird eher die klassische Schulmedizin angewendet. Aber: Viele Tierhalter haben mit der Naturheilpraxis sehr gute Erfahrungen gemacht.

Die Lösung? Integrativ denken.

Das beste Szenario: Schulmedizin für Diagnose und Akutbehandlung. Alternative Verfahren zur Unterstützung und bei chronischen Leiden. Offene Kommunikation über alle Therapieansätze.

Deine Checkliste: So gehst du klug vor

Vor der Behandlung:

Schulmedizinische Diagnose einholen, was ist das Problem wirklich? Mit dem Tierarzt sprechen, ist Alternativmedizin hier sinnvoll? Qualifikationen prüfen, hat der Therapeut eine fundierte Ausbildung? Realistische Erwartungen haben, Wunderheilungen gibt es nicht. Budget einplanen, alternative Therapien können teuer werden.

Während der Behandlung:

Dokumentiere Veränderungen. Bleib kritisch, auch wenn du hoffst. Brich ab, wenn sich nichts tut oder es schlimmer wird. Kommuniziere mit allen Behandlern.

Was du jetzt wissen musst

Alternativmedizin für Haustiere ist weder Teufelszeug noch Wundermittel. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Was wir wissen: Die meisten alternativen Verfahren sind wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Das heißt nicht, dass sie nicht helfen können. Bei chronischen Problemen können sie eine sinnvolle Ergänzung sein. Bei Notfällen haben sie nichts verloren.

Was du tun solltest: Bleib neugierig, aber kritisch. Kombiniere klug statt dogmatisch. Höre auf dein Bauchgefühl und auf die Fakten. Dein Tier ist kein Versuchskaninchen.

Die beste Medizin ist die, die deinem Tier hilft, egal ob aus der Apotheke oder vom Heilpraktiker. Entscheidend ist: Sie muss wirken, sicher sein und von qualifizierten Menschen angewendet werden.

Und wenn Globuli deinem Hund helfen, seine Arthrose besser zu ertragen, während er gleichzeitig Schmerzmittel vom Tierarzt bekommt, dann ist doch allen geholfen.

Nutze das Beste aus beiden Welten. Dein Tier hat es verdient.

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