
Der Hufschmied-Termin – Wenn das Pferd sich benimmt wie ein Kleinkind beim Zahnarzt….
und aus Routine ein Kampf wird
Hufpflege ist etwas Wichtiges. Sie ist essentiell für die Gesundheit des Pferdes und sollte regelmäßig durchgeführt werden. Wenn man aber obendrein ein Pferd besitzt, das die schauspielerischen Fähigkeiten von Meryl Streep hat, gibt es einen kleinen Wermutstropfen. Der Hufschmied-Termin wird nämlich zu einem Theaterstück, bei dem ich die unfreiwillige Hauptrolle spiele.
MEIN PFERD IST OSCAR-REIF!
Nach wochenlanger Terminabsprache hatte der Hufschmied endlich Zeit für uns. Ich gebe zu, die Vorstellung, dass Bellas Hufe endlich wieder in Form gebracht werden, war verführerisch. Ein routinemäßiger Termin, schnell und professionell erledigt.
Aber es war eben Bella. Kaum erblickte sie den Hufschmied mit seinem Werkzeugkoffer, verwandelte sie sich von einem braven Reitpferd in ein scheues Reh.
„Die ist aber nervös heute”, bemerkte der Hufschmied und griff nach dem ersten Huf. Und verdammt nochmal, nervös war untertrieben! Vor mir entfaltete sich eine Performance, die jeden Zirkus in den Schatten gestellt hätte. Bella tat so, als würde jede Berührung ihrer Hufe den sicheren Tod bedeuten.
Sie zitterte, sie schnaubte, sie hob das Bein einen Zentimeter an und ließ es sofort wieder fallen, als wäre es aus Blei. „Prima”, dachte ich, während der Hufschmied geduldig wartete, „jetzt spielt sie die sterbende Schwanenprinzessin.”
Eine 600-Kilo-schwere Drama-Queen
Alles, was ich sehen konnte, war ein 600-Kilo-Schauspielwunder, das mit perfektem Timing jede Berührung zur Tortur machte. Ich hatte Kleinkinder beim Kinderarzt erlebt, die kooperativer waren als mein Pferd beim Hufschmied. Es kam der Moment, als der Hufschmied vorschlug, vielleicht ein Beruhigungsmittel zu verwenden.
„Na denn”, sagte ich zu Bella, während ich versuchte, sie mit Leckerlis zu bestechen, „jetzt reiß dich aber mal zusammen!” Das war pure Hoffnung. Bella hatte sich entschieden, dass heute der Tag war, an dem sie ihre Verweigerungshaltung perfektionierte.
Hin und her baumelnd zwischen Verzweiflung und Bewunderung für Bellas Ausdauer, versuchten wir drei, die Hufpflege zu einem Ende zu bringen. Ehrlich gesagt hatte ich jeden Moment erwartet, dass Bella in Ohnmacht fällt – natürlich nur gespielt. Das war so sicher wie die Tatsache, dass sie nach dem Termin fröhlich über die Weide galoppieren würde.
„Das hätten wir”, seufzte der Hufschmied eine Stunde später erschöpft. Bella sah aus, als wäre nichts gewesen, und ich dachte: „Herrgott nochmal… Hollywood, wir kommen!”
Tina Wagnerböck wuchs zwischen Heuballen und Halftern auf und weiß seit ihrer Kindheit: Ein Reiterhof ist der beste Ort der Welt und gleichzeitig das gefährlichste Pflaster für alle, die ihre Privatsphäre schätzen. “Ich schreibe über das echte Reiterleben. Nicht über die perfekten Instagram-Momente, sondern über die Realität – wenn das Pferd bockt, der Sattel rutscht und die Stallnachbarin schon wieder alles besser weiß.” Wenn sie nicht gerade schreibt, verbringt sie ihre Zeit am liebsten auf der Koppel, weit genug vom Stallgebäude entfernt, dass niemand ihre Telefonate mithören kann.