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Katzen-Yoga: Wellness-Trend mit Schnurrfaktor

Wenn Asanas auf Samtpfoten treffen – ein Selbstversuch

Von Sophie Mindberg

Montagmorgen, halb acht in Los Angeles. Ich sitze im Schneidersitz auf meiner Yogamatte, um mich herum zwölf andere Teilnehmer und etwa fünfzehn Katzen. Was bizarr klingt, ist mittlerweile Realität in verschiedenen US-Studios: “Cat Yoga” verbindet Entspannung mit Tiertherapie.

Wie alles anfing

Cat Yoga ist kein Marketing-Gag, sondern hat sich aus der Tierheim-Arbeit entwickelt. Viele Studios kooperieren mit örtlichen Katzenhilfen – die Tiere sind zur Adoption freigegeben, die Yoga-Stunden finanzieren ihre Pflege mit.

Die Grundidee ist simpel: Yoga in Anwesenheit von Katzen praktizieren. Nicht als Zirkusnummer, sondern als entspannte Kombination zweier beruhigender Aktivitäten.

Mein erster Versuch

Als Katzenbesitzerin war ich neugierig. Funktioniert das wirklich oder ist es nur Quatsch für gestresste Großstädter?

Mein Test findet in einem der wenigen Studios in LA statt, die Cat Yoga anbieten. Zwölf Rescue-Katzen leben hier und entscheiden selbst, ob sie bei den Stunden dabei sein wollen. “Die Katzen machen nur mit, wenn sie Lust haben”, erklärt die Lehrerin. “Wir schaffen den Rahmen, mehr nicht.”

Die ersten Minuten sind gewöhnungsbedürftig. Während ich versuche, ruhig zu atmen, läuft eine getigerte Katze um meine Matte und begutachtet mich skeptisch. Beim herabschauenden Hund marschiert sie einfach unter mir durch. Zuerst störend, dann irgendwie süß.

Was dahinter steckt

Was nach Spinnerei aussieht, hat durchaus Substanz. Dr. Rebecca Johnson von der University of Missouri (†2024) hat jahrelang die therapeutischen Effekte von Mensch-Tier-Kontakten erforscht. Katzenschnurren liegt bei 20-150 Hz – Frequenzen, die nachweislich Stress reduzieren können.

Studien zeigen: Tierkontakt senkt Stresshormone und erhöht Oxytocin. Kombiniert mit Yoga könnte das einen doppelten Entspannungseffekt haben.

Mehr als nur Trend

Nach 45 Minuten verstehe ich den Reiz. Es geht nicht um perfekte Posen mit Katze auf dem Rücken (passiert trotzdem manchmal). Es geht ums Loslassen und Im-Moment-sein.

Katzen sind Meister darin, präsent zu bleiben. Das überträgt sich. Statt mich auf perfekte Ausrichtung zu fixieren, werde ich lockerer, fließender.

Als sich ein kleines schwarzes Kätzchen während der Entspannung auf meine Brust legt und zu schnurren beginnt, verstehe ich endgültig, warum manche Leute darauf schwören. Es ist, als würde das Schnurren direkt ins Nervensystem vibrieren.

Zuhause-Test

Zurück in Deutschland probiere ich es mit meinen eigenen Katzen aus. Spoiler: Das läuft anders als im professionellen Studio.

Meine beiden ignorieren meine Yoga-Versuche größtenteils. Manchmal kommt eine neugierig angetrottet und reibt sich an mir. Es ist nicht die choreografierte Eleganz aus LA, aber trotzdem entspannend.

Praktische Tipps

Wer es zu Hause versuchen will:

Timing: Feste Zeiten helfen – Katzen mögen Routine.

Erwartungen runterschrauben: Deine Katze wird nicht automatisch mitmachen. Manchmal interessiert sie sich dafür, manchmal nicht.

Einfache Übungen: Komplizierte Balanceakte vergessen. Bodenposen und fließende Bewegungen funktionieren besser.

Ausweichmöglichkeiten: Die Katze muss jederzeit abhauen können.

Was es wirklich bringt

Nach mehreren Wochen regelmäßiger Praxis erkenne ich den wahren Wert: Cat Yoga lehrt Flexibilität. Wenn eine Katze deine Matte blockiert, musst du improvisieren. Du lernst, dass Perfektion weniger wichtig ist als Präsenz.

Grenzen und Realität

Cat Yoga ist nicht für jeden geeignet. Allergiker haben Pech. Wer Yoga als intensives Workout sieht, wird frustriert. Es ist sanft, manchmal chaotisch, oft meditativ.

Wichtig: Es darf nie auf Kosten der Tiere gehen. Seriöse Anbieter arbeiten nur mit entspannten, sozialisierten Katzen.

Fazit

Wird Cat Yoga meine normale Yoga-Praxis ersetzen? Nein. Aber es hat mir etwas gelehrt: Manchmal ist die beste Achtsamkeitspraxis die, die uns aus der Komfortzone holt.

Wenn jetzt zu Hause eine meiner Katzen bei der Yoga-Session auftaucht, lächle ich. Nicht weil es Instagram-tauglich ist, sondern weil es echt ist. Und das ist vielleicht das Wichtigste: ein Stück Echtheit in einer oft perfektionierten Wellness-Welt.

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