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Ich wollte nur meditieren – Pompi wollte ein Opfer



Hier schreibt Julius Mertens, Anfang 40, Texter und Kolumnist. Gemeinsam mit seinem Partner David und dem orangefarbenen Kater Monsieur Pompadour lebt er in einer Wohnung, die früher mal ihm gehörte, heute inszeniert Pompi täglich neue Bühnenstücke zwischen Futterneid, Fensterbank-Drama und Sofakissen-Intrigen.

Es sollte mein Weg zur inneren Ruhe werden. Nach drei Wochen durchgeschlafener Nächte (dank Monsieur Pompadours nächtlicher Springkonzerte), unzähligen Kaffeetassen und dem wachsenden Gefühl, dass mein Nervenkostüm bereits auf Seidenfaden-Niveau angekommen war, hatte ich beschlossen: Ich brauche Meditation.

„Das ist eine tolle Idee!”, hatte David gesagt und mir eine türkisfarbene Yogamatte gekauft. „Zehn Minuten am Tag, mehr brauchst du nicht. Einfach hinsetzen, atmen und an nichts denken.”

An nichts denken. Hah. Als könnte man in einem Haushalt mit einem Drama-Queen-Kater an nichts denken.

Aber ich war entschlossen. Heute war der Tag. Samstag, 7 Uhr morgens. David war noch beim Joggen, die Wohnung war still, und ich hatte sogar die Yogamatte im Wohnzimmer ausgerollt. Kerze angezündet. Handy stumm geschaltet. Alles perfekt für zehn Minuten Zen.

Ich setzte mich in den Schneidersitz, schloss die Augen und atmete tief ein. „Einatmen… ausatmen…”, murmelte ich und fühlte bereits, wie sich meine Schultern entspannten. Das war tatsächlich gar nicht so—

Raschel.

Ich öffnete ein Auge. Pompi saß drei Meter entfernt auf seinem Kratzbaum und musterte mich, als hätte ich gerade angekündigt, seine Katzenklo-Reinigung um eine Woche zu verschieben.

„Ist schon gut”, flüsterte ich ihm zu. „Mach einfach… was auch immer Katzen so machen.”

Augen wieder zu. Einatmen. Ausatmen. „Du bist ein ruhiger See”, sagte ich mir vor, so wie es in der Meditations-App geraten wurde. „Ein kristallklarer, ruhiger—”

Plopp.

Das Geräusch von vier Katzenpfoten, die elegant auf Yogamatte landen. Ich riss die Augen auf. Pompi saß jetzt direkt vor mir. Etwa zwanzig Zentimeter vor meinem Gesicht. Und starrte mich an. Einfach nur an.

„Pompi”, sagte ich ruhig. „Ich meditiere gerade.”

Er blinzelte nicht. Bewegte sich nicht. Atmete kaum. Es war, als würde das Orakel in meine Seele blicken und dabei urteilen: „Deine Chakren sind im Eimer.”

„Okay”, murmelte ich und schloss wieder die Augen. „Du kannst gerne bleiben. Wir meditieren einfach zusammen.”

Drei Sekunden Stille. Dann spürte ich, wie sich etwas Warmes an mein Knie schmiegte. Pompi hatte sich zu einer perfekten Katzenrolle zusammengeballt und schnurrte. Laut. Sehr laut. Wie ein Dieselmotor im Leerlauf.

„Das ist… entspannend”, log ich mir selbst vor und versuchte, das Schnurren als natürliche Hintergrundmusik zu betrachten. „Ein mechanisches Om.”

Plötzlich verstummte das Schnurren. Stille. Verdächtige Stille.

Ich spähte zwischen meinen Wimpern hindurch. Pompi war weg. Einfach verschwunden. Als hätte ihn die Meditation in eine andere Dimension katapultiert.

„Einatmen”, flüsterte ich erleichtert. „Ausatmen. Du bist ein ruhiger—”

KAWUMM.

Satan in Plüsch landete mit der Wucht eines Meteors auf meinem Rücken. Von hinten. Ohne Vorwarnung. Mit allen vier Pfoten gleichzeitig.

„AAAHHH!”, schrie ich und kippte nach vorne um wie ein umgesägter Baum. „WAS ZUM—”

Aber Pompi war bereits wieder weg. Ich lag jetzt bäuchlings auf der Yogamatte, die Kerze war umgefallen (zum Glück ausgelöst worden), und mein linker Arm war irgendwo unter meinem Torso eingeklemmt.

„Alles in Ordnung da drin?”, rief David vom Flur. Er war vom Joggen zurück.

„Alles bestens!”, rief ich zurück, während ich versuchte, mich zu entwirren. „Ich meditiere!”

„Klingt sehr… lebendig!”

Ich rappelte mich auf und rollte die Matte wieder glatt. Pompi saß auf dem Sofa und putzte sich eine Pfote, als wäre absolut nichts geschehen.

„Zweite Runde”, murmelte ich entschlossen. „Du kannst mich nicht besiegen.”

Schneidersitz. Augen zu. „Du bist ein ruhiger See. Ein kristallklarer—”

Diesmal kam der Angriff von der Seite.

Pompi raste wie ein orangefarbener Torpedo über die Matte, drehte sich im letzten Moment um die eigene Achse und katapultierte sich unter meinen verschränkten Beinen hindurch. Dabei nahm er die Matte mit.

Ich fand mich auf dem kalten Laminatboden wieder. Die Yogamatte lag zusammengeknüllt in der Ecke. Pompi saß triumphierend darauf und schaute mich an, als würde er sagen: „Noch Fragen?”

„Was machst du denn?”, fragte David, der jetzt in der Tür stand und die Szenerie betrachtete.

„Meditation”, antwortete ich, während ich mich vom Boden schälte. „Offenbar eine sehr… interaktive Variante.”

„Ach so!”, David nickte verständnisvoll. „Pompi will mitmachen. Wie süß!”

Mitmachen. Als würde Pompi ‘mitmachen’ wollen. Der Fluffinator wollte gewinnen. Und er hatte gewonnen.

„Vielleicht”, schlug David vor, „probierst du es einfach in einem anderen Raum?”

Ich betrachtete Pompi, der sich inzwischen auf der zusammengeknüllten Yogamatte häuslich niedergelassen hatte und dabei aussah wie ein sehr zufriedener, orangefarbener Buddha.

„David?”

„Ja?”

„Kennst du einen Raum, in den Katzen nicht können?”

David überlegte ernsthaft. „Nein. Gibt es den?”

„Eben.”

Heute Abend habe ich eine neue Meditations-App heruntergeladen. Sie heißt „Meditation mit Haustieren” und verspricht, auch bei „unerwarteten Unterbrechungen” zu funktionieren.

Das Orakel hat sie bereits getestet. Er hat mein Handy vom Nachttisch gefegt.

Namaste. Oder so.

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