Neulich … | klingelte wieder das Telefon.
Nach der Frage, ob unsere Welpen auch tatsächlich im Dezember „ausgehfertig“ sind und ob es überhaupt noch Plätze auf der Warteliste gibt, ist die häufigste Frage die nach Geburtshilfe. Ich erwähnte ja bereits, dass seit Corona so viele Geburtsanfragen wie noch nie reinkommen. Die meisten Hündinnen sind kurz vor der Geburt. Warum suchen sich die Menschen erst meist ein paar Tage davor jemand, der sie begleitet? Ich werde das nie wirklich verstehen.
Ich frage mich: Lesen die vorher keinen Ratgeber? In jedem Ratgeber steht, dass Vorbereitung als auch die Aufzucht sehr viel komplizierter, als der Geburtsvorgang an sich, sind. Außerdem ist überall zu lesen, keine Fremden währenddessen zuzuziehen. Die Hündinnen fühlen sich gestört und unterbrechen dann meist die Geburt. Häufig sage ich sofort „nein“, oder momentan, dass ich bald selbst einen Wurf erwarte und deshalb keine Zeit habe. Manchmal kann ich es nicht lassen, da sitzt mir der Schalk im Nacken und ich frage nach, um es gleich zu bereuen. Ich weiß, dass sich das für die meistens großspurig anhört.
Aber es ist einfach so: Seriöse Anfragen kommen über die Vereine oder per E-Mail, rechtzeitig häufig vor der Belegung. Natürlich manchmal auch per Telefon, doch in der Regel nicht.
Umgehauen haben mich aber definitiv zwei Geschichten
Ganz schlimm war ein Anruf einer Dame, sie rief freundlich an, grüßte nett und eröffnete mir, dass sie nur Gutes von mir gehört habe und sich sehr freuen würde, die Geburt mit mir zu machen. Ihre Hündin sei schon belegt und auf jeden Fall trächtig. Ich fragte sie, wann sie werfen würde. Die Hundedame werde etwa in 20 Tagen gebären und ob ich da Zeit hätte.
Ich erklärte ihr, wir müssen vor dem Geburtsvorgang mindestens 2 Termine machen und einen bitte dann – eher heute als morgen, um die Hündin entsprechend vorgeburtlich zu begleiten, vorzubereiten und um mich kennenzulernen.
„Das bräuchte sie nicht, der Hündin würde das alles nichts ausmachen, die ist immer freundlich und ich könne ihr doch jetzt kurz erklären, was sie als Vorbereitung tun solle.“
Ich spürte eine leichte Ungeduld auf der anderen Seite. Ich nahm noch einen Anlauf und erklärte, warum dies dennoch wichtig sei.
Nun erwiderte sie unfreundlich, dass sie mir dies bereits erläutert hatte und sie würde ihre Hündin jawohl kennen.
Die Frage, ob sie denn schon einmal geworfen habe und woher sie das wisse, sparte ich mir. Ich entgegnete ihr, dass „mal kurz per Telefon“ eine Vorbereitung nicht möglich sei, und fragte sie bei dieser Gelegenheit nach dem Alter der Hündin.
„Ihre Hündin sei elf Jahre alt und sei für die Vorbereitung bereits zum Ultraschall gewesen.“
Sie wüsste ja, dass elf schon recht alt sei, doch ihre Seniorin verhalte sich „total jung“. Selbst der Tierarzt habe gesagt, dass man ihr das Alter nicht ansehe. Er habe ihr dringend zur Geburtsbegleitung geraten.
Gedeckt sei sie übrigens ebenfalls von einem reinrassigen Goldi mit Papieren und Zuchtzulassung. Das habe bereits 600,- € gekostet, aber da habe sie sich nicht lumpen lassen… Sie habe ja leider keine Papiere und würde keine mehr bekommen, auch nicht ersatzweise über einen Verein. Dafür sei die Hündin ja schon zu alt, man dürfe ja bloß bis zum 8. Lebensjahr belegen lassen. Aber ihre Hündin sei selbst mit 11 wirklich noch top fit.
Ich war sprachlos
Sollte ich in die Hände klatschen über diesen gelungenen Deckakt? Welcher Züchter gibt seine Deckrüden an so eine alte Hündin ab? Wie kann man eine 11 Jahre alte Hundedame belegen und ihr in ihrem Alter eine Trächtigkeit zumuten? Warum macht man das? Planmäßig? Obwohl man weiß, dass es nicht richtig ist?
Welcher Tierarzt unterstützt sowas? Hat sie vorher keine Literatur zu diesem Thema gelesen?
In meinem Kopf hämmerte es. Ich merkte, wie sich mein Magen unweigerlich zusammen krampfte… Ich stellte ihr diese Fragen und sie versicherte mir, es habe alles seine Ordnung. Sie habe einen Deckvertrag gemacht und da habe sie ordnungsgemäß das Alter der Hündin angegeben … Und wie gesagt, der Tierarzt wisse Bescheid, sie habe sich vorher umfangreich informiert.
Und warum ich so viele Fragen stelle, sei ich jetzt eine Tierhebamme ja oder nein? Sie wolle langsam mal wissen, ob ich ihr die Geburt mache. Mittlerweile war sie nicht mehr freundlich, sondern nur noch genervt.
Mir ging ein weiser Spruch durch den Kopf: „Klug ist der, der das Unglück gesehen hat und sich dann verbirgt“ (Sprüche 22:3)
Nein, ich würde diese Geburt nicht machen.
Ich überlegte kurz, ob ich ihr meinen Entschluss erklären sollte. Dann entschied ich mich dagegen – jemand der über so vieles in der Fachliteratur einfach hinwegsieht, dem war ich nicht gewachsen …
Ich entgegnete ihr kurz, dass sie sich doch bitte an ihren Tierarzt wenden solle, ich würde die Geburt unter diesen Umständen nicht machen. Plötzlich schrie sie mich an:
Wie unverschämt das sei und warum ich mich Tierhebamme nennen würde? Solch eine Inkompetenz sei furchtbar und weiterempfehlen würde sie mich auf keinen Fall. Sie würde sich bei ihrem Tierarzt beschweren. Sie schrie und schrie … Ich versuchte, mich kompetent zu verabschieden, es war nicht möglich. Ich legte auf.
Und weil das noch nicht genug war, rief mich einen Tag später eine Dame an – Ihre Deutsche Dogge solle gedeckt werden. Von einem Rüden mit Zuchtzulassung. Ihre Hündin sei 3, nicht zur Zucht zugelassen, wolle sie auch gar nicht!
„Bloß kein Verein!“
Sie redete ohne Punkt und Komma, warum sie denn keinen wolle. Ihre Hündin sei top und schön, das müsse kein Verein beurteilen. Ich hakte beim nächsten Einatmen der Dame kurz ein. Es sei gerade bei ihrer Rasse von Nöten, alle relevanten tierärztlichen Untersuchung machen zu lassen. Die Deutsche Dogge sei in der Genetik nicht ganz einfach und ein Zuchtrichter müsse noch einmal darauf gucken, ob sie rassetypisch sei. Es gäbe auch Vereine ohne „Vereinsmeierei“ und zu Corona-Zeiten kämen Zuchtrichter sogar nach Hause. Aber viel wichtiger seien die vorherigen Untersuchungen.
Wieder redete sie auf mich ein. Es rasselten Wortgeschwader.
Erneut versuchte ich ihr sehr anschaulich zu erklären, dass ich gerade so eine verrückte Verpaarung hinter mir hatte und ob sie nicht wissen wolle, was aus der Hündin dann heraus kam?
Zugegeben, das war nicht nett, aber jetzt gab sie Ruhe.
Jedenfalls ein paar Sekunden lang, bis sie mir erklärte, wir würden nicht zusammen passen. Sie legte auf. Ich sendete ihr noch einmal eine kurze Mitteilung, wie wichtig diese Untersuchungen seien.
Es kam original u.a. dieser Text zurück:
„Woher wollen Sie wissen, dass ich mich nicht ausreichend informiert habe? Woher wollen Sie wissen, wie verantwortungsbewusst ich bin? Sie sind nicht der Nabel der Welt. Ich kann ja verstehen, dass dieses Thema in Ihnen brennt, aber zwischen uns stimmt die Chemie nicht, Sie sind nicht der Mensch, den ich mir an meiner Seite wünsche. Das, was sie sagten, sie gestern „aus einer Hündin rausgezogen haben“ klingt furchtbar und macht sie nicht sympathischer. Ich möchte jetzt keine Artikel und Lebensweisheiten mehr von Ihnen erhalten. Danke!“
Ach, was könnte ich alles erwidern!
Ich lasse es. Weil es nichts bringt und ich damit leben kann. Ich weiß, ganz tief in ihr drinnen hat sie verstanden, was ich ihr sagen wollte. Das hoffe ich sehr für Ihre Hündin. Wie gesagt, es stimmt: Ich bin nicht der Nabel der Welt, dennoch spreche ich für die Hündinnen, denen bleibt nämlich in der Regel nichts anderes übrig, als den Weg ihrer Besitzer mitzugehen.
Ob ich da nicht auf hohem Niveau klage?
Welpen aus nicht passenden Verpaarungen sind nicht gesund, egal wo sie gezüchtet werden. Und Außenstehenden ist nicht bewusst, wie viele Hündinnen bei unsachgemässer Behandlung und Verpaarung ihr Leben lassen – von den Neugeborenen mal ganz abgesehen.
Ich hoffe für die Zukunft sehr, dass Züchten sich im Allgemeinen verändert. Dass nicht jeder Welpen „produzieren“ darf. Sicherlich sollte es nicht ein Privileg für Reiche sein und wie das zu bewerkstelligen ist, muss diskutiert werden. Unsere Welt wandelt sich, Bedingungen verändern sich.
Wir haben so viel Wissenszugang und wenigstens Letzteres sollte, wenn man dann schon nur mal so züchten möchte, auch genutzt werden.
Ihre Nathalie Lièvre-Heese
Als Hundehebamme holte Nathalie Lièvre-Heese hunderte von Welpen auf die Welt. Sie führt eine tierische Naturheilpraxis in Hamburg-Blankenese und züchtet Bolonka Zwetnas unter dem Zwingernamen „Bolonkas vom Süllberg“ und dabei erlebt Nathalie Lièvre-Heese eine Menge – Gutes, aber auch Bedenkliches. Darüber schreibt Sie in Ihrer Kolumne für die HundeWelt.
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