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Auch unsere Hunde unterscheiden sich in ihrer Persönlichkeit

Auch Hunde kann man in verschiedene Persönlichkeitstypen kategorisieren. Da gibt es einmal den A-Typ, der eher hochtriebig und reaktiv sind, und stehen ganz im Gegensatz zu den B-Typ-Hunden, die sich eher eigensinnig zeigen. In ihrem Buch “Follow Me” erklärt Hundetrainerin Radana Kuny, wie man zum Rudelführer wird.

Die Persönlichkeit eines A-Typen

Beispiele für klassische A-Typen: Border Collie, deutsche und belgische Schäferhunde, Retriever, Jack Russell, Pudel.

A-Typen sind Hunde, die seit vielen Generationen mit Menschen intensiv zusammenarbeiten. Es liegt in ihrer Natur, sich verstärkt an uns zu orientieren. Ich bezeichne sie als die perfekten Angestellten. 

Sie zeigen einen ausgeprägten „will to please“, die Bereitschaft, uns zu gefallen. Diese Hunde sind recht leicht zu „dressieren“. Sie nehmen schnell Anweisungen des Menschen an und hinterfragen diese selten. 

Wie ein großartiger Mitarbeiter erfüllen sie die Aufgaben, die man ihnen gibt. Sie haben eine hohe Reaktivität. Das bedeutet, dass sie blitzschnell auf alles reagieren, ohne erst darüber nachzudenken, was sie machen. Dieses Verhalten hat einen großen Vorteil beim Training, allerdings nur dann, wenn wir dem Hund die richtigen Signale geben. 

Da sie immer auf alles reagieren, reagieren sie nämlich auch auf falsche oder unbewusst gegebene Signale. Schließlich muss ein guter Angestellter alle Aufgaben erfüllen, die er von seinem Chef erhält und hat dies nicht zu hinterfragen. Da er keine Verantwortung hat, muss er für das Ergebnis nicht haften. Er antwortet blitzschnell auf unser Verhalten.

Ein kleines Beispiel dazu. Ich war mit einer Kundin und ihren beiden Border Collies unterwegs und sah, auf einer Distanz von etwa 40 Metern, ein Eichhörnchen. Sofort blickte ich in eine andere Richtung. Die Hunde folgten meinen Blicken, nahmen das Eichhörnchen nicht wahr. Die meisten Menschen hätten das Eichhörnchen mit ihren Blicken regelrecht festgehalten und die Hunde indirekt dorthin geschickt. Erst recht, wenn sie zusätzlich den Gedanken hätten: „Oh je, ein Eichhörnchen.“ 

Wussten Sie, dass ein Border Collie in der Lage ist, unsere Mimik aus über 30 Meter Entfernung zu lesen?

Dies ist einer der Gründe, warum es so wichtig ist, dass wir unsere Emotionen im Griff haben. Wenn wir etwas Hochinteressantes sehen, wäre ein Pokerface von Vorteil.

Die Persönlichkeit der A-Typen wird über ein hochaktives Stresssystem gesteuert. Sie haben eine extrem kurze Zündschnur, eine Reaktionszeit von Millisekunden und regen sich sehr schnell auf, können sich aber auch rasch wieder beruhigen. Allerdings nur, wenn sie es von klein auf gelernt haben. 

Angriff bedeutet nicht immer eine echte Attacke, sondern steht für ein „Vorgehen“. Provokant könnte man sagen, dass diese Hunde erst handeln und dann nachdenken. Sie sind impulsiv, bereit sofort „Alarm“ zu geben und haben meistens ein Problem mit der Impulskontrolle. Sie sind extrovertiert und zeigen deutlich, wie sie sich fühlen. Sie sind somit gut lesbar.

Bei diesen Hunden dominiert der Sympathikus, der für Aktivität und Aufregung verantwortlich ist. Unsere Aufgabe ist es, dem Hund zu helfen, mehr in die Ruhe zu kommen. Je aktiver sein für die Entspannung zuständiger Parasympathikus ist, umso besser ist es für ihn und unsere Nerven.

Deshalb ist alles zu vermeiden, was ihn zusätzlich aufputscht. Hetz- und wilde Jagdspiele sind, wenn überhaupt, nur kontrolliert angebracht. Auch ein Kinderkontakt sollte von Anfang an erlernt werden. Denn gerade Kinder können mit ihren schnellen Bewegungen den „Angriffsmodus“ dieser Hunde aktivieren. Die Hunde müssen von Beginn an lernen, dass es tabu ist, Kindern hinterherzurennen. Dies kann gut trainiert werden, wenn die Hunde auf Abstand zu tobenden Kindern etwas zum Nagen bekommen. So können sie sich gesund an einem Knabberzeug abreagieren und brauchen sich nicht von den Kindern aufregen lassen. Wir hatten schon Hunde, die tiefenentspannt, mitten im Wohnzimmer liegend, hingebungsvoll an einem Hundekeks nagend, Kindergeburtstagspartys ausgehalten haben.

Einen A-Typ sollten wir nie aufregen, das schafft er auch prima ohne uns.

Alles, was sich schnell und hektisch bewegt, animiert diesen Hund.

Bewegung heißt automatisch Aufregung! Weniger Aufregung, mehr Ruhe ist hier das richtige Rezept.

Somit ist es zentral, dass wir ausgeglichen mit ihm agieren. Ruhe vermitteln und ihm eine gesunde Selbstbeherrschung/Impulskontrolle beibringen.

Jede Beschäftigung sollte in konzentrierter Stille stattfinden. Nasenarbeit wie die Fährtensuche und jegliche Art der Kopfarbeit wirken entspannend. Auch monotone Bewegungen, wie zusammen mit dem Menschen im Trab zu joggen oder langsam am Rad mitzulaufen (nie bei hohen Temperaturen) wirken sich positiv auf diese Hunde aus.

Wenn die A-Typen zu uns in die Hundeschule kommen, zeigt sich oft, dass sie zwar eine gute Ausbildung, im Sinne von einem Gehorsam, jedoch oft eine mangelnde Erziehung haben. Sie sind gestresst und haben Probleme damit, sich zu beherrschen und zu entspannen. So können sie distanzlos Menschen und Hunde anspringen, Radfahrern und Joggern hinterher hetzen, unkontrolliert in der Leine hängen und alles und jeden verbellen.

Die Gefahr, zu einem Adrenalinjunkie zu werden, ist bei diesen Hundetypen hoch.

Wer hat nicht schon von unermüdlichen Balljunkies gehört? Falls Sie mit dem Begriff nichts anfangen können: Es handelt sich um Hunde, die unermüdlich einen Ball apportieren. Der Mensch? Wird zur Ballwurfmaschine.

Optisch sind A-Typen eher schmal und feingliedrig. Sie haben eine hohe körperliche Energie, um jederzeit reagieren zu können. Ihr Stoffwechsel ist erhöht, ebenso wie ihre Herzfrequenz. All dies ist notwendig, damit die Hunde einen guten Job machen können.

Ein Hütehund muss blitzschnell losrennen können, um ein ausgebrochenes Schaf zurück zur Herde zu treiben. Und das an manchen Tagen zigmal. Sein leichter und wendiger Körper ermöglicht ihm dies ohne Probleme. Hätte er die Statur von meinem Einstein mit einem Gewicht von ca. 65 Kilo, wäre er zu so einer Leistung gar nicht fähig. Schon nach kurzer Zeit wäre mein Bub fix und fertig und die Schafe hätten freie Bahn.

Schafe hüten ist definitiv nicht sein Job. Ihm wäre es vollkommen egal, wohin sie gehen. Allerdings nicht, was mit ihnen passiert. Bei Gefahr würde er sie vehement verteidigen, wenn er sich für sie verantwortlich fühlt.

Die Persönlichkeit eines B-Typen

Beispiele für typische B-Typen: alle Herdenschutzhunde, Rottweiler, Landseer, Leonberger, Rhodesian Ridgebacks. 

B-Typen sind Hunde, die oft allein, ohne menschlichen Einfluss ihren Job ausüben. Sie bewachen Gebäude und/oder Tierherden und sollen eigenständig Entscheidungen treffen. 

Wenn sich zum Beispiel ein fremder Mensch der Herde nähert, muss ein Herdenschutzhund allein herausfinden, ob dieser Eindringling nur ein harmloser Wanderer oder ein gefährlicher Wilddieb ist und dementsprechend handeln. Der Wanderer wird verwarnt und ein Stück des Weges begleitet, der Wilddieb dagegen unerbittlich gestellt.

Diese Hunde sind agierend. Das bedeutet, dass sie ihre eigenen Entscheidungen fällen und überlegend handeln. Sie überstürzen nichts, da eine Fehlentscheidung fatale Folgen haben kann. Sie sind, wenn wir sie mit der Menschenwelt vergleichen, die geborenen Selbstständigen, die verantwortlichen Chefs. 

Ein A-Typ mit einem ausgeprägten „will to please“ reagiert auf eine Anweisung mit einem: „Mach ich!“ „Ist es so richtig?“ „Kann ich sonst noch was für Dich tun?“

Ein B-Typ fragt dagegen bei jeder Anweisung von uns: „Warum?“ „Meinst Du mich? “Bist Du Dir wirklich sicher?“

Er sucht nach einem Sinn in Forderungen, wiegt das Für und Wider gründlich ab. Und erst, wenn er es für gut befindet, setzt er unsere Bitte um.

Wenn etwas ihm fremd ist, er sich noch nicht sicher ist, in welche Richtung er sich entwickelt, braucht er Zeit, bis sich das Neue in etwas Vertrautes wandelt.

Erst das Vertraute sorgt für ein gutes und sicheres Gefühl. 

B-Typen haben den gleichen Stresskreislauf wie A-Typen.

Sie zeigen beide eine starke körperliche Reaktion auf Veränderungen. Über das Nebennierenmark produzieren sie Adrenalin und Noradrenalin und schütten über die Nebennierenrinde Cortisol aus. Dieser Hormoncocktail aktiviert bei den B-Typen jedoch nicht ein Kampf-Flucht-Verhalten wie beim A-Typen, sondern sorgt für eine Starre.

Was heißt das? Ich erkläre es Ihnen. Sobald er Neues sieht, erstarrt er. Er bleibt wie angewurzelt stehen und schaut sich in Ruhe alles an. Erst wenn er zu einer Erkenntnis gekommen ist, kommt er ins Handeln.

Von Natur aus sind diese Hunde distanziert und misstrauisch, was nie mit Aggression verwechselt werden darf. 

Da sie ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl haben, hat jedes Handeln Folgen, die sich negativ auf sie oder auf ihre Familie auswirken können. Somit handeln sie wohlüberlegt und bei einer Unsicherheit nehmen sie sich für eine Entscheidung so viel Zeit, wie sie für notwendig halten. 

Wenn sie sich entschieden haben, ist es schwer, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Im Sinne von: „Zuerst erledige ich meine Angelegenheiten und dann sehen wir weiter.“

Diese Vierbeiner handeln zeitverzögert, dann aber massiv und bestimmend.

Was diese Hunde brauchen

Natürlich sollte jeder Vierbeiner von Geburt an viele wunderbare Erlebnisse mit Menschen und Hunden erfahren. 

Bei B-Typen ist dies von allergrößter Bedeutung, damit sie positiv fürs ganze Leben geprägt werden. Durch ihr angeborenes Misstrauen müssen sie schon als Welpe lernen, dass fremde Menschen und andere Hunde keinerlei Bedrohung darstellen, sondern in den allermeisten Fällen gut sind.

Wenn dies nicht geschieht, sie keine oder zu wenig positive Erfahrungen sammeln konnten, kann es zu einer gefährlichen Generalisierung kommen.

Sie können eine fatale Entscheidung treffen. 

Ihr Lebensmotto könnte wie folgt lauten: „Ab sofort überlege ich bei keinem Fremden mehr, ob er Freund oder Feind ist. Ich beschließe einfach, dass jeder Hund/Mensch gefährlich ist!“

Und dann? Reagieren sie schneller. Und das sieht so aus: Solche Hunde erstarren nur kurz, sodass es kaum sichtbar wahrgenommen wird und gehen dann blitzschnell, ohne jegliche Vorwarnung, wie aus dem Nichts vor. 

Ich habe schon öfter mit Hunden wie diesen zusammengearbeitet und es ist jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung für uns alle.

Ein besonders trauriger Fall war Pepe, ein erst 6 Monate alter Junghund.

Er ist ein Herdenschutzhund-Mischling aus dem Tierschutz und jedes Mal hat es mich richtig mitgenommen, wenn wir mit ihm trainiert haben. Der arme Kleine wusste vor lauter Angst nicht wohin mit seinen Gefühlen. Jeden empfand er als Bedrohung. Wehe, es näherte sich jemand seinem Menschen. Seine Angst kompensierte er mit einer heftigen Aggression. Selbst meine eigenen Hunde wurden von ihm immer wieder angegangen. 

Noch heute zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich an ihn denke. Denn leider gehört Pepe zu den Hunden, die ich aus den Augen verloren habe.

Wir konnten durch ein Distanztraining schon richtig gute Erfolge erzielen und ich war voller Zuversicht. Aber leider war sein Herrchen nicht geduldig oder willens genug, um mit uns weiterzumachen.

Wahrscheinlich hat ihn meine Aussage, dass er mit mindestens 2 Jahren intensiver Arbeit rechnen muss, verschreckt. Klar hört sich das lang an, ist aber nun mal die Realität.

Wie sehen Sie das? Kein Elternteil erwartet, dass sein Kind nach nur 2 Jahren „fertig“ erzogen ist. Warum bringen wir dann diese Geduld nicht auch für unsere Hunde auf?

Umso glücklicher und dankbarer bin ich für alle Menschen, die genug Zeit, Energie und unendlich viel Geduld für ihren Hund mitbringen. Und eines kann ich mit absoluter Gewissheit sagen. Es lohnt sich. Früher oder später passiert das lang ersehnte Wunder und unser Hund zeigt sich von seiner besten Seite. Vielleicht ist seine beste Seite nicht das, was wir uns erhofft haben. Aber es wird immer wesentlich besser sein, als es zu Beginn war. 

Traurig ist, dass gerade B-Typen immer wieder mit harter Hand „trainiert“ werden, mit der Erklärung, dass man sie nur so kontrollieren könne. Aber jede Form von Härte bewirkt das krasse Gegenteil. Gewalt ist der schnellste Weg, diese Hunde gefährlich zu machen.

Druck erzeugt immer Gegendruck und hat in einer gesunden Beziehung nichts verloren.

Die Optik eines B-Typen spiegelt sein passives und ruhiges Gemüt wieder. 

Er ist eher kräftig gebaut und bis auf einige Ausnahmen recht groß. Seine mentale Energie ist höher als seine körperliche. Mit seinem großen Körpergewicht und dem massiven Körperbau ist er ein guter Kurzstreckenläufer, im Gegensatz zu dem leichteren A-Typen, die ohne Probleme längere Strecken zurücklegen können.

Erfahre im Buch von Radana Kuny alles darüber, wie man zum Rudelführer wird, modern erzieht und jeden Hund für sich gewinnt:

Follow me – Das Leadership-Praxisbuch für Rudelführer

Radana Kuny

Minerva Verlag, Mönchengladbach

Format 17 x 24 cm

ISBN 978-3-910503-02-1

Erhältlich im MinervaStore.

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