
Trudi und der Wasserspringbrunnen
Hier schreibt: Lilo Sommer lebt mit ihrer Katze Trudi in einer alten Stadtwohnung voller Bücher, Teetassen und zerfetzter Sofakissen. Sie liebt Jazz, Weißwein und diese stillen Momente, in denen Trudi schnurrend auf ihrem Bauch entspannt und sie anblinzelt, als wüsste sie alle Antworten auf das Leben, aber ihr trotzdem keine verrät.
Ich habe einen Trinkbrunnen für Trudi gekauft. Einen von diesen modernen Dingern aus der Tierhandlung, mit einem kleinen Wasserspringbrunnen und einem Filter. “Katzen lieben fließendes Wasser”, stand auf der Verpackung. “Für die optimale Flüssigkeitsaufnahme Ihres Lieblings.”
Trudi betrachtet das Gerät, als hätte ich ein Ufo in die Küche gestellt.
“Das ist für dich”, erkläre ich ihr. “Frisches, fließendes Wasser. Wie aus dem Wasserhahn.”
Sie umkreist den Brunnen vorsichtig. Das Wasser plätschert leise, hypnotisch fast. Ich bin stolz auf meinen Kauf. Endlich etwas Modernes in unserer alten Wohnung voller Bücher und zerfetzter Sofakissen.
Aber Trudi trinkt nicht.
Stattdessen geht sie zum Waschbecken und miaut. Ihr altes Ritual. Sie möchte, dass ich den Wasserhahn aufdrehe, damit sie direkt aus dem Strahl trinken kann. Wie immer.
“Aber du hast doch jetzt deinen eigenen Brunnen”, sage ich und zeige auf das teure Gerät. “Viel praktischer. Für mich und für dich.”
Sie schaut mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Dann springt sie auf die Spüle und setzt sich vor den Wasserhahn. Wartend. Geduldig. Wie eine Königin, die darauf besteht, dass ihr Page persönlich das Wasser reicht.
Ich seufze und drehe den Hahn auf. Sofort steckt sie den Kopf unter den Strahl und trinkt. Genüsslich, ausgiebig, zufrieden.
“Du bist unmöglich”, sage ich zu ihr.
Aber dann denke ich: Vielleicht hat sie recht. Vielleicht ist es nicht das fließende Wasser, was sie liebt. Vielleicht ist es das Ritual. Das Miauens, das Warten, das gemeinsame Moment, wenn ich den Hahn aufdrehe. Vielleicht trinkt sie nicht nur Wasser, sondern Aufmerksamkeit.
Der teure Trinkbrunnen plätschert weiter vor sich hin. Ignoriert. Überflüssig. Ein technisches Wunderwerk, das das Wesentliche übersehen hat: dass manche Dinge nicht effizienter werden müssen, sondern einfach nur schön bleiben sollen.
Am nächsten Tag stelle ich eine normale Wasserschale neben den Brunnen. Trudi trinkt daraus, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Das Wasser ist still, nicht gefiltert, nicht sprudelnd. Aber es ist da, wenn sie es braucht. Ohne Aufhebens. Ohne Theater.
“Du magst es einfach, nicht wahr?” sage ich zu ihr.
Sie schnurrt und reibt sich an meinem Bein. Als wollte sie sagen: “Endlich verstehst du es.”
Der Trinkbrunnen wandert in den Keller. Manchmal ist das Beste nicht das Modernste. Manchmal reicht eine Schüssel, ein offener Wasserhahn und jemand, der versteht, dass Liebe manchmal darin besteht, einfach da zu sein, wenn man gebraucht wird.
Lilo Sommer