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Ben und Ennox – Schimmelpilzspürhunde im Einsatz in vier Wänden

Von einem Unternehmen, das sich mit Bausanierung und Ähnlichem beschäftigt, kam die Nachfrage nach einem Schimmelpilzspürhund. Wir wussten, dass es derartige Hunde seit Längerem gibt, hatten uns aber noch nicht ausgiebig mit dieser Thematik beschäftigt. Grundsätzlich ist ein Hund in der Lage, alle Stoffe zu riechen, die fettlöslich, mindestens zweiatomig und flüchtig sind. Es gibt Hunde, die Tabak, Geld, CD-Raubkopien, Karzinome, Öllecks in Pipelines und vieles mehr erschnüffeln, also warum nicht mal einen Ausflug in die Bausanierung wagen. Eine Mitarbeiterin des Firmeninhabers sollte den Hund führen, also machten wir uns mit ihr auf die Suche nach einem geeigneten Auszubildenden.

Relativ schnell wurden wir zunächst fündig. Es handelte sich um einen Australien Shepherd, der alles mitbrachte, was ein guter Spürhund braucht. Der junge Mann verfügte allerdings über ein, für meinen Geschmack, zu gesundes Selbstvertrauen, das er auch zum Ausdruck brachte. Die zukünftige Hundeführerin schien allerdings mit dem Rüden etwas überfordert, naja, sie hatte wohl eher etwas Angst vor dem Burschen, also entschieden wir uns gegen ihn. Die Wahl fiel schließlich auf einen schwarzen Labradorrüden mit dem schönen Namen „Ben“, der über ausreichende Spielmotivation verfügte und sehr leicht im Umgang war. Um einen Vergleich in der Ausbildung zu haben, entschieden wir uns, auch einen von unseren Hunden zeitgleich auf die Schimmelsporen zu trainieren. Die Wahl fiel auf Ennox, der bislang als Spürhund noch ein unbeschriebenes Blatt war. Er wurde „nur“ im VPG-Sport geführt und verfügte insgesamt über ein sehr hohes Potenzial für Spezialaufgaben.

Dem Schimmel auf der Spur

Mehrere unterschiedliche Schimmelproben wurden in einem Labor gezüchtet und uns in Petrischalen zur Verfügung gestellt. Wir benetzten Geruchsträger aus Watte mit den Sporen und starteten mit der Konditionierung auf die Duftstoffe. Wir führten die Grundkonditionierung genau so aus, wie wir es bislang mit den anderen Spürhunden gemacht hatten. Also wurde zunächst jeden Tag mit den Duftstoffen gespielt und das Suchen geübt. Zeitgleich begannen wir das Anzeigeverhalten mit den Hunden einzuüben. Mit unserem Freund Ben gab es ein wenig Schwierigkeiten mit dem Spiel allgemein. Er interessierte sich auf einmal überhaupt nicht mehr für sein Spielbringsel. Alle Animationsversuche brachten nicht den gewünschten Erfolg. Es war auf Dauer ein wenig frustrierend, wenn man wie ein wildgewordener Clown vor dem Hund hin und her sprang und der Bursche lachte nicht mal. Er interessierte sich für seinen Ball, den wir dann mit einigen Tricks mit dem Geruchsmaterial versehen konnten und endlich konnte es dann richtig losgehen. Nach einigen Tagen überprüften wir die Fortschritte, indem wir ein wenig kontaminiertes Material versteckten und die Hunde danach suchen ließen.
Ennox hatte den Geruch verknüpft, zeigte reges Interesse und auch ein passables Anzeigeverhalten. Ben hatte noch ein wenig Probleme. Er reagierte zwar ein wenig auf den Stoff, aber er schien den Geruch noch nicht als wirklich wichtig einzustufen. Kein Problem, ein paar Tage weiterspielen und dann noch einmal probieren. Nach ein paar weiteren Übungseinheiten waren beide Hunde auf demselben Level und wir konnten in der Ausbildung in die nächsten Lehrinhalte einsteigen.

Ein böses Missverständnis

Wir entschieden uns, mit unserer Gläserreihe fortzufahren. In dieser Glasreihe waren unterschiedlichste Gerüche vorhanden und natürlich auch ein Glas mit dem möglichst reinen Zielstoff. Wir probierten dies ein paar Tage, die Hunde hatten aber einige Probleme, das richtige Glas herauszufiltern. Zu beobachten war, dass die Nasen der beiden hin und her kreisten, aber selten in die richtige Richtung zeigten. Angezeigt wurde meist nur in der Nähe des richtigen Glases, aber nie direkt. Das konnte nicht am Ausbildungsstand der Hunde liegen, da musste es eine andere Ursache geben. Vermutlich lag es schlicht an der Beschaffenheit der Schimmelsporen. Diese sind sehr leicht und werden allein durch die Thermik bzw. die Luftströmung in einer Wohnung überall verteilt. Also hatten wir mit der Gläserreihe einen Fehler gemacht. Bei unserem Labrador hatten wir ordentlich für Missverständnisse gesorgt und mussten diese Schlappe erst wieder ausbügeln. Wir gingen also mit Ben ausbildungstechnisch erst einmal einen Schritt zurück, um ihn wieder sicher in der Arbeit zu machen. Ennox hatte nach einigen Bestätigungen an der richtigen Stelle bald alles wieder richtig einsortiert. Nachdem beide wieder auf „Stand“ waren, verlegten wir die Ausbildung in die unterschiedlichsten Gebäude. Wichtig war: Wir mussten absolut sicher sein, dass an der Übungsstätte tatsächlich kein hauseigener Schimmel vorzufinden war, um erneuten Problemen aus dem Weg zu gehen. Wir hatten die Möglichkeit, einige Gebäude unserer Heimatgemeinde zu nutzen. Diese präparierten wir dann mit den Petrischalen bzw. mit Geruchsträgern aus Watte, um unterschiedliche Geruchsstärken bzw. Geruchsfelder zu erzeugen. Besonders schwierig für die Hunde war es, wenn der Zielpunkt über Kopf angebracht war. Das lag vermutlich an der breiten Streuung der Sporen.

Ennox war das genaue Gegenteil von Ben

Ennox war extrem eifrig bei der Sache und bemühte sich, immer auf den Punkt anzuzeigen. Ben hatte genau verstanden, was wir uns von ihm wünschten, war aber immer sehr gemütlich unterwegs. Sein Ball war nicht unbedingt das höchste Triebziel für ihn und er wurde dann auch schon mal etwas nachlässig. Aber ein Labrador wäre ja kein echter Vertreter seiner Rasse, wenn man ihn nicht mit Futter überzeugen könnte. Mit unserer Wurst ließ er sich dann auch gut überreden, etwas fleißiger zu sein. Nachdem also geklärt war, dass sich die Arbeit lohnt, zeigte Ben wirklich sehr gute Ergebnisse. Er betrat einen Raum, natürlich ohne jede Hektik, hob seine Nase in die Luftströmung, marschierte an den Punkt und setzte sich. Dann musste aber auch sofort die Bestätigung mit der Wurst kommen, sonst stand der Kollege auf und marschierte weiter. Für die Hundeführerin bestand die Herausforderung darin, Bens Körpersprache richtig zu verstehen und ihn korrekt zu deuten. Teils verriet er nämlich recht schnell durch ein kurzes Wedeln oder einen Seitenblick, dass er Witterung hat. Dann war nur noch der Punkt einzugrenzen und die Anzeige war da. Ennox war das genaue Gegenteil von Ben. Er war, wenn es losging, kaum zu halten. Der Rüde stürmte in den Raum, drehte seine Kreise und schmiss sich hin – Anzeige. Manchmal war er auch etwas übereifrig und neigte dann zu Fehlanzeigen. Wobei es sicherlich unheimlich schwierig war zu beurteilen, ob es wirklich eine falsche Anzeige war oder nicht. Wie gesagt, die Schimmelsporen fliegen überall hin und wir konnten das Ergebnis nur schwer beurteilen. Trotzdem bekam er seine Bestätigung über den Ball nur dann, wenn er wirklich im nahen Umkreis vor dem Zielpunkt korrektes Anzeigeverhalten demonstrierte. Schließlich brachte es uns ja kein Ergebnis, wenn er jede vorbeifliegende Schimmelspore anzeigte, uns aber nicht zur Ursache des Übels brachte.

Der Probe aufs Exempel

Im nächsten Schritt wählten wir dann Gebäude aus, von denen wir wussten, dass dort Schimmelbefall vorliegt und auch die ursächlichen Punkte kannten. Das war natürlich zur Überprüfung der Hunde spannend. Würden sie wirklich alles und korrekt anzeigen? Im ersten Raum war ein Schimmelbefall in ungefähr 1,60 m Höhe deutlich zu erkennen. Wir lüfteten zunächst das Zimmer, um „alte“ Sporen verschwinden zu lassen und warteten nach dem Lüften noch ca. 10 Minuten, damit ein erneutes „Ausgasen“ erfolgen konnte. Beide Hunde, Ben und Ennox, zeigten dasselbe Verhalten. Sofort nach Betreten des Raumes ging der Kopf hin und her, hoch und runter. Die Belastung durch Sporen schien recht hoch zu sein. Nach knapp 30 Sekunden zeigten aber beide den Fleck an der Wand als Ursprung an. Das hatte ja gut geklappt. In einem anderen Raum war der Schimmel nicht direkt zu erkennen, sondern hinter einer Vertäfelung verborgen. Auch hier zeigten sich beide Hunde zunächst etwas verwirrt aufgrund der hohen Sporenbelastung, zeigten aber dann kurz neben einer Fußleiste unter der Vertäfelung an. Insgesamt konnten wir mit dem Ergebnis der Ausbildung zufrieden sein. Nach einigen weiteren Trainingseinheiten, um Erfahrung zu sammeln, ging Ben nachhause zu seiner Hundeführerin, um auf echte Einsätze zu warten. Ennox blieb bei uns, um sich wieder dem Hundesport zu widmen.

Hund oder Technik?

Nun gibt es natürlich eine Vielzahl technischer Geräte, die ebenfalls in der Lage sind, Schimmelbefall durch Luftanalysen nachzuweisen. Es gibt Wärmebildkameras, um Kältebrücken aufzufinden, in deren Bereich sich gern Schimmel ansiedelt. Natürlich ist der Einsatz solcher Geräte durchaus effektiv, aber zum Teil sehr aufwändig und natürlich recht kostenintensiv. Ein Hund könnte da deutlich günstiger und unter Umständen schneller arbeiten, aber es fehlt dann eben die Technik, die wir ja alle so sehr mögen und immer ganz begeistert sind, je geheimnisvoller der Apparat aussieht und die LEDs lustig blinken. Wir hatten mit Ennox einen Einsatz und die Ursache des Schimmelbefalls nach ca. 20 Sekunden gefunden. Es handelte sich um eine Einliegerwohnung und die Belastung befand sich unter dem Parkettboden. Ennox zeigte an mehreren Stellen immer zwischen Parkett und Fußleiste an.

Ich hatte den Eindruck, die Bewohner waren etwas enttäuscht. Wir waren einfach zu schnell und ohne großen Aufwand fertig. Ähnliches berichtete auch die Hundeführerin von Ben. Ben hatte mehrfach die Feststellungen der Technik durch sein Verhalten untermauert, bzw. Punkte angezeigt, von denen die Apparate gar nichts mitbekommen hatten. Es gibt also noch Luft bei der Einsatzhäufigkeit. Eigentlich erstaunlich, denn bei der heutigen intensiven Dämmung und dem Lüftungsverhalten dürfte es eigentlich überall Schimmel und die damit verbundenen Probleme wie Atemnot, tränende Augen etc. geben. Nun ja, sei´s drum. Wir hatten alle unseren Spaß, haben neue Dinge gelernt und die Hunde sinnvoll beschäftigt.

Ein MUSS für jeden, der sich auch nur ansatzweise mit Hundeausbildung beschäftigt.

Martin Weitkamp

Im Schatten der Gefahr

Hardcover, 128 Seiten, s/w

ISBN: 978-3-9815634-2-9

www.minervastore.de

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