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Einsatz auf vier Pfoten! | Teil 4

„Achtung, soeben Pkw-Aufbruch in der Bartholomäusstraße! Täter wurden vom Mitteiler gestört und laufen Richtung Wöhrder See. Drei junge Männer, einer davon ist dunkelhaarig, mittelgroß, trägt hellblaue Jeans, helles Sweatshirt, Turnschuhe. Wer fährt?“ Der Funker der Einsatzzentrale klang aufgeregt.

Während sich die anderen Streifen absprachen, schaltete ich das Blaulicht an und gab dem VW-Bus die Sporen. Der Wöhrder See, unweit von Nürnbergs Altstadt gelegen, war um diese Uhrzeit in gut fünf Minuten zu erreichen. Ich schaffte es in vier. Eine Streifenbesatzung fuhr direkt zum Tatort, eine weitere fahndete am nördlichen Ufer des Gewässers. Ich näherte mich dem westlichen.

Im Rückspiegel sah ich meinen Hund

Ich zischte ein „Passs‘ aufff“, um ihn auf seinen Einsatz vorzubereiten. Gundo sprang in seiner Box auf und starrte nun über meine Schulter hinweg durch die Windschutzscheibe. Sehr schön, so stellte ich mir Aufpassen vor. Guter Hund. Der Bully rollte derweil im Standgas an der Buschreihe entlang, die den Park von der Straße trennte. Unvermittelt trat ein junger Mann aus dem Gestrüpp: schwarze Jeans, rotes Sweatshirt, Turnschuhe. Die Kleidung passte nicht, aber es war sein neutraler, fast schon gelangweilter Gesichtsausdruck, der ihn dennoch verdächtig machte. Wer so bemüht ist, angesichts eines Streifenwagens nicht aufzufallen, muss etwas auf dem Kerbholz haben!

Ich hielt an und stieg ich aus, lächelte freundlich: „Na, noch so spät unterwegs?“  Einer meiner Standardsätze, wenn ich besonders belanglos klingen wollte. „Ja“, antwortete der Angesprochene, „ich komme vom Training“. Er deutete auf seine Sporttasche, die er neben sich abgestellte. „Nachts um halb drei?“, fragte ich reichlich verwundert. Der Kerl zuckte die Schultern. „Machen Sie die bitte mal auf?“ Ich deutete auf die Tasche und erwartete darin verschwitzte Klamotten, feuchte Handtücher, einen Fön vielleicht. Nun schon etwas ungeduldig zerrte er den Reißverschluss auf. Die Tasche war leer!  „Das müssen Sie mir erklären. Was trainieren Sie denn so? Mühle? Schach?“

Eine verdächtige Gestalt

Die Antwort blieb er mir schuldig. Gundo begleitete die Szene mit wütendem Gebell aus dem Auto heraus. Im selben Moment hielt neben uns eine Streife und jemand krähte aufgeregt: „Das isser! Das ist einer von denen!“  Die Kollegen hatten einen Zeugen mitgebracht. Und der musste es ja wissen. Treffer! Ganz zufrieden war ich dennoch nicht, als der Täter abtransportiert worden war. Zum einen fehlten die beiden anderen, zum anderen auch das Diebesgut. Zumindest ein Autoradio war gestohlen worden, hatte es über Funk geheißen. Hatte er es unterwegs irgendwo deponiert oder weggeworfen?

Gundos große Stunde

Auf diese Frage gab es eine Antwort: Gundo! Schließlich fand er auf Kommando Kugelschreiber und Hosenknöpfe in hüfthohen Wiesen, also durfte so ein Kasten erst Recht kein Problem für ihn sein, selbst wenn der irgendwo vergraben war. Streng dem ihm vertrauten Prozedere folgend, ließ ich Gundo Platz machen und ging bedeutungsvoll ein paar Schritte in die Grünanlage, als würde ich etwas verstecken. Im selben Moment, als ich in die Hände klatschte und Gundo mit einem gedehnten „Suuuuch! Verlooooren!“ die Richtung wies, in die er suchen sollte, sprintete er los. Jedoch in eine völlig andere Richtung! Sekunden später verschwand er unter den tiefhängenden Zweigen einer ausladenden Hainbuche. Dann bellte er. Was hatte er aufgespürt?

Ich hob einige Äste an und leuchtete mit meiner Taschenlampe unter den Busch. Ich hätte es wissen sollen. Es war Spätherbst, dieser wärmende Berg angehäufter Blätter war das ideale Winterquartier für Igel. Gundo stand bis zur Brust darin und bellte hinein. Er war eben auch nur ein Hund. Als ich ihn aber zurückrief, machte er keine Anstalten, mir zu folgen, bellte stattdessen weiter. Nur einige Töne tiefer, aggressiver. Das war ungewöhnlich. Wieder leuchtete ich unter das Geäst – und entdeckte jetzt einen Turnschuh, der senkrecht aus dem Laub ragte. Kein stacheliges, müdes Tier hatte sich da versteckt, sondern einer der Täter!

Echte Begeisterung

Meine Begeisterung schwang in meiner Stimme mit. „Sooo isser braaav!“ rief ich und bestätigte meinem scharfgeruchsinnigen Streifenpartner, dass er alles richtig gemacht hatte. Was ihn dazu veranlasste, nun wie ein Ziegenbock auf dem Laubhaufen herum zu hüpfen und den Schuh anzubellen. Beherzt biss er schließlich in die Blätter, zerrte den Stoff einer hellblauen Jeans hervor und schüttelt diesen mit dem darin befindlichen Bein. Dass jemand verletzt wird, wollte ich verhindern. Deshalb befahl ich Gundo mit strenger Stimme, die Hose wieder loszulassen und sich hinzulegen. „Okay“, rief ich dann im Brustton eines überzeugten Hundeführers in den Busch, „ich hole den Hund jetzt zurück. Wenn Sie dann nicht mit erhobenen Händen herauskommen, muss ich ihn erneut einsetzen!“

Die Täter geben auf

Die Antwort war prompt: „Ja, ich komme!“ Doch es meldete sich noch eine zweite Stimme: „Ich auch! Aber bitte halten Sie den Hund zurück!“ Im Gegensatz zu Gundo, der bestimmt längst wusste, dass sich zwei „Lumpen“ hier versteckt hielten, war ich völlig überrascht ob dieser Wendung. Ich beorderte Gundo ins Fuß. Nicht ohne Genugtuung beobachten wir gemeinsam die zwei jungen Männer, wie sie mit kalkweißen Gesichtern ins Freie traten. Einem der beiden hing die Jeans unterhalb des Knies in Fetzen, aber sein Bein hatte glücklicherweise keinen Kratzer abbekommen. Sein graues Sweatshirt war schweißdurchtränkt. Diesmal passte die Beschreibung! Kurz darauf tauchten uns die Scheinwerfer eines heranbrausenden Streifenwagens in grelles Licht. Meine Kollegen freuten sich, zwei schon lange gesuchte Autoaufbrecher in Empfang nehmen zu können.

Hier erfährst du, wie es weitergeht.


Elmar Heer arbeitet seit 40 Jahren als Polizeibeamter. 1990 wechselte er vom Streifendienst zur Diensthundestaffel Mittelfranken. Schon früh entdeckte er seine zweite Leidenschaft: das Schreiben. Mit seinem Buch „Partner auf Leben und Tod“, erschienen bei Droemer-Knaur, gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in Leben und Arbeit eines Polizeihundeführers. Er erzählt über seine Aufgaben als Hundeführer, die umfangreiche Ausbildung von Polizeihunden und über spannende, heitere und auch tragische Einsätze, die er mit seinen Schäferhunden Gundo, Bux, Carina und Sam erlebte.


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